Gedanken zum Wirtschaftswachstum, Zwischenbemerkungen: Den Gürtel enger schnallen?
Wie schon gesagt, das gesamtwirtschaftliche Ergebnis des Jahres 2002 erscheint doch im Grunde gar nicht so schlecht
- wenn man sich einmal freimacht von der üblichen, übertriebenen Fixiertheit auf die Wachstumsrate.
Das Gesamt-BIP Deutschlands war jedenfalls noch nie höher, und das BIP je Einwohner
(ob erwerbstätig, arbeitslos, Rentner, unterhaltenes Familienmitglied oder was auch immer)
ist um mehr als 60 Prozent höher als im Jahre 1970, als Massenarbeitslosigkeit kein Thema war.
Wenn wir das Gleiche leisten wie bisher, müssten wir uns doch auch das Gleiche leisten können wie bisher
(Umwelt- und Ressourcenprobleme und die Frage einer "gerechteren" Weltwirtschaftsordnung einmal außer Acht gelassen).
Warum also müssen wir - wie so oft behauptet wird - "den Gürtel enger schnallen"?
Antwort: Damit die Unternehmen kostengünstiger produzieren und mehr absetzen können und die
ganze Wirtschaft wächst und dabei neue Arbeitsplätze entstehen - so etwa lautet die gängige Argumentation.
Das hört sich irgendwie ganz überzeugend an, aber auf der einen Seite den Gürtel enger schnallen (und somit weniger
konsumieren) und auf der anderen Seite mehr produzieren, passt letzten Endes logisch nicht zusammen (zumal ja schon bei der derzeitigen
"Gürtelweite" heftig über eine allgemeine Konsumzurückhaltung geklagt wird).
Der gleichwohl hohe Verbreitungsgrad dieser merkwürdigen Theorie vom Zunehmen in einer enger
gegürteten Wirtschaftshose lässt sich vielleicht wie folgt erklären.
Solange die Gesamtwirtschaft kräftig wächst, können - zumindest theoretisch - alle mehr
vom großen BIP-Kuchen (bzw. vom daraus resultierenden Volkseinkommen) abbekommen - die einen viel mehr, die anderen etwas mehr.
Das gibt einer beneidenswerten Minderheit (in unserer so genannten "Neidgesellschaft") die einzigartige Möglichkeit,
schnell zu immer größerem Reichtum zu gelangen, ohne dass bei der Mehrheit der weniger Beneidenswerten oder
Bemitleidenswerten allzu gefährliche Neidgefühle aufkommen.
Wenn jedoch der große Kuchen nicht mehr größer wird, lässt sich logischerweise nur dann ein
größeres Kuchenstück ergattern, wenn andere mit einem kleineren abgespeist werden. Und die müssen dann in der Tat
den Gürtel enger schnallen - und friedlich dabei bleiben, ruhig gestellt duch die (trügerische) Hoffnung, dass wir alle auf diese
Weise "endlich wieder Wachstum kriegen" und dann auch die Normalverbraucher wieder ein etwas größeres
Kuchenstück abbekommen - und die Beneidenswerten sowieso.
Zu den Beneidenswerten (ob sie nun den Neid der übrigen Gesellschaft wirklich fürchten oder eher süffisant
genießen), zählen insbesondere die Bezieher regelmäßiger, hoher Einkünfte aus Kapitalvermögen
und die von Kurssteigerungen profitierenden Aktionäre, wobei weniger an Kleinaktionäre zu denken ist und am
wenigsten an "Ich-Aktionäre", und auch die Familienaktionäre sollte man differenziert
betrachten).
Ein weitergehendes Interesse an ihren Kapitalgesellschaften, an deren Produkten und Mitarbeitern verlangt niemand von den anonymen
Eigentümern, schon gar nicht das Management, dessen höhere Chargen ebenfalls zu den Beneidenswerten gerechnet werden dürfen,
von Natur aus keine Unternehmer, sondern strebsame Arbeitnehmer, die für ihre Bestrebungen von zufriedenen shareholders fürstlich
belohnt werden oder die sich selbst - in Seilschaften mit so genannten "Aufsichts"-Räten - königlich belohnen,
ob die shareholders mit ihnen zufrieden sind oder nicht.
(Vergessen wir in diesem Zusammenhang auch nicht die wechselseitigen Unternehmensverflechtungen,
mit denen z. B. die honorigen Herrschaften von der "Deutschland AG"
beinahe schalten und walten können, wie sie wollen.)
Da könnten selbst die Unternehmer neidisch werden - die wirklichen Unternehmer des Mittelstandes, die,
ohne sie über den grünen Klee loben zu wollen, doch - hoffentlich - noch etwas anderes sind als reine Kapitalisten
oder abgehobene Topmanager, nämlich unentbehrliche Wirtschaftsorganisatoren, die nicht nur delegieren und in den Arsch treten, sondern
sich mit Sachverstand um vieles noch persönlich kümmern und den Kopf viel zu voll haben dürften, um den lieben langen Tag
an Expansion zu denken (und lieber den einen oder anderen Gedanken an die Nöte ihrer Mitarbeiter verschwenden).
Aber irgendwie kann man die Beneidenswerten ja verstehen. Wenn sie ihr Kapital in den Dienst der Volkswirtschaft stellen
so wie andere ihre Arbeit, meinen sie auch, auf ihre regelmäßigen Kapitaleinkünfte das gleiche Anrecht zu haben wie andere
auf ihren Arbeitslohn, und wenn ihre gewohnten Kapitaleinkünfte abebben, empfinden sie dies wie andere eine Lohnkürzung.
Und dann werden sogar die Beneidenswerten neidisch auf den anderen Teil unserer Neidgesellschaft und neiden den eigentlich weniger
Beneidenswerten ihre Arbeitseinkommen bzw. Sozialeinkommen, die "wir" uns so nicht mehr leisten können, wie sie meinen.
Aber diese Einkommensarten sind doch sehr unterschiedlicher Natur. Ein Arbeitseinkommen muss man verdienen, ein
Sozialeinkommen bekommt man, wenn man nichts verdient, und oft auch nur, wenn man keinerlei Vermögen hat. Um aber ein
Kapitaleinkommen zu bekommen, muss man unbedingt Vermögen haben - wie es verdient wurde, ist egal.
Hat man Kapitalvermögen, dann sind einem die Kapitaleinkünfte sicher (wie jeder Anlageberater bestätigen wird), und je
mehr Kapitalvermögen man hat, desto mehr Kapitalerträge kommen zum Kapitalvermögen dazu, solange - wie man relativierend hinzufügen
muss - die Wirtschaft wächst, also das BIP real zunimmt (denn wenn nur das Geld zunimmt, nicht aber die Gütermenge, macht das
Wachstum keinen richtigen Spaß).
Und wenn der große Wachstumsspaß nach langer Zeit allmählich zu Ende geht, sollen andere mit ihrem
vergleichsweise bescheidenen Einkommen dafür einstehen und Verzicht üben - nicht etwa weil das BIP abnimmt,
sondern nur das Wachstum des BIP, von dem sich die Beneidenswerten sonst immer ein weit überproportionales Scheibchen
abzuschneiden wußten? Und verzichten sollen nun auch diejenigen, die das reale BIP nach wie vor erarbeiten?
Nein, wenn die BIP-Zuwächse nicht mehr so üppig ausfallen wie früher, ist das in erster Linie ein Problem derer, die sonst immer
einen Löwenanteil davon bekamen (ohne dafür einen Goldfinger krumm zu machen),
und kein Grund, andere schlechter zu stellen - solange das BIP pro Kopf der
Gesamtbevölkerung nicht schrumpft.
Wenn wir wirklich alle den Gürtel enger schnallen, "damit wir wieder Wachstum kriegen", wird das BIP in
Wirklichkeit abnehmen und damit auch das Pro-Kopf-BIP, und das muss (auch nach Meinung des Autors) nicht unbedingt sein.
Wäre es nicht ein vernünftiges wirtschaftspolitisches Ziel, das hohe Pro-Kopf-BIP in etwa zu halten und nicht mehr nach einer
stetigen Steigerung der Quantität, sondern der Qualität unserer Güter und Dienstleistungen zu streben?
(Dies muss man allerdings nicht, wie manche vorschlagen, "qualitatives Wachstum" nennen, denn das führt
nur zur Begriffsverwirrung und wird die Anhänger des stetigen realen Wirtschaftswachstums wenig beeindrucken, geschweige denn bekehren.)
Dass wir über unsere Verhältnisse lebten, wird oft auch mit der hohen Staatsverschuldung
begründet, und das ist vielleicht auch das plausibelste Argument. Doch was wäre denn gewesen,
wenn der Staat in der Vergangenheit mehr "gespart", d. h. weniger
Ausgaben getätigt und weniger Kredite aufgenommen hätte? (Sparen im eigentlichen
Sinne ist das ja nicht, allenfalls einsparen.)
Das hätte weniger Aufträge des Staates (einschließlich der Kommunen) an die Wirtschaft bedeutet,
weniger Beschaffungen - von der Spielplatzrutsche bis zur Feldhaubitze - und nicht zuletzt weniger Kaufkraft bei den Empfängern von
Sozialleistungen - und im Endeffekt sehr wahrscheinlich weniger Wirtschaftswachstum.
Das werden die Einsparungsapologeten natürlich vehement bestreiten und darauf insistieren,
dass Wirtschaftswachstum nur entstehen kann, wenn der Staat "den Leuten mehr Geld im
Portemonnaie lässt". Dieses Mitgefühl mit den geschröpften Leuten hindert sie allerdings
nicht darin, gleichzeitig "Lohnmäßigung" zu predigen, weil auf der
anderen Seite auch nicht zu viel Geld in die Portemonnaies der Leute hineinkommen soll.
(Lange Gesichter gibt es dann allerdings, wenn die Leute das, was letztlich in ihre Portemonnaies
hineinkommt und ihnen vom Staat gelassen wird, am liebsten gar nicht wieder herauslassen
wollen, weil auch die privaten Haushalte in zunehmendem Maße die Tugend des Sparens
praktizieren.)
Der hoch verschuldelte Staat hätte allerdings auch noch eine andere Alternative gehabt als
Ausgabenkürzungen oder Kreditaufnahmen. Er hätte vielleicht die Kapitalerträge stärker
besteuern sollen, um sich weniger Mittel über den Kapitalmarkt pumpen zu müssen.
Doch schon der bloße Gedanke an eine solch grundsolide Haushaltsführung dürfte die Kreditgeber
und ihre Kapitalanleger voller Empörung aufschreien lassen. Dann schöpfen sie
schon lieber aus den Zinsen der viel geschmähten Staatsschulden
neue Kapitalerträge. Dass allerdings die gigantischen Schulden des Staates jemals wieder getilgt werden,
wird von Tag zu Tag illusorischer.
Aber das ist ein eigenes Thema und wir wollen uns hier auch nicht weiter mit der mystischen Welt des
Finanzsektors befassen, wo die Zahlen dem Unendlichen zustreben und täglich ungeheure
Beträge mit Lichtgeschwindigkeit um den Globus herumsausen, sondern wenden uns wieder der
realen Wirtschaft zu und bleiben dabei: Solange wir - gemessen am Pro-Kopf-BIP - das Gleiche
leisten, brauchen wir uns nicht einreden zu lassen, wir (das gemeine Volk) könnten uns
nicht mehr das Gleiche leisten wie bisher.
Das heißt allerdings nicht, dass wir uns alles und jedes unvermindert leisten könnten
und uns nirgendwo einzuschränken bräuchten. Wenn ein erhöhter Bedarf an bestimmten Gütern oder Dienstleistungen eintritt
- man denke beispielsweise an den zunehmenden Pflegebedarf in einer alternden Gesellschaft -,
wird das bei gegebenem Nullwachstum zwangsläufig zu Lasten anderer Dinge gehen. Dem kommt aber entgegen, dass ältere Leute
- die ja auch nicht alle pflegebedürftig werden - im Allgemeinen einen geringeren Bedarf an normalen Konsumgütern haben.
Dies sollte in einer vernünftigen Marktwirtschaft (in der auch der
Staat eine gewichtige Rolle einnehmen muss) einfach eine gewisse Umstrukturierung des BIP
bewirken, etwas weniger Massenkonsum und dafür mehr soziale Dienstleistungen. Auch die bei den Deutschen so überaus beliebten Urlaubsreisen ins Ausland (die hauptsächlich dem BIP anderer
Länder zugute kommen, was denen ja auch im Prinzip gegönnt sei) wären ein weiteres
Beispiel, wo Abstriche zugunsten notwendigerer Dinge möglich wären, ohne dass darin ein
genereller Wohlstandsverlust gesehen werden müsste und auch ohne dass die gemessene
Wirtschaftsleistung zurückginge.
Aber das ist wohl kaum das, was uns die "Gürtelmenschen" nahe bringen wollen,
denn die Konsumgüterindustrie oder die Touristikbranche dürften für Kapitalanleger wesentlich attraktiver sein
als beispielsweise der soziale Dienstleistungssektor, und sie wollen ja auch nicht auf
Umstrukturierung hinaus, sondern auf Wachstum, und dabei sind ihnen jede Art von Konsum und alle
wirtschaftlichen Aktivitäten willkommen, die Ertrag abwerfen.
Um für sich selbst ein Maximum herauszuholen, haben sie allerdings
ständig zweierlei im Sinn: dass der ganze Wirtschaftskuchen möglichst groß wird
und dass die anderen ein möglichst kleines Stück davon abbekommen.
Und so kommt es zu dieser ambivalenten Argumentation, die sowohl an die Unzufriedenheit
als auch an die Genügsamkeit der Menschen appelliert: mehr Wachstum - weniger Ansprüche.
Dass bei dieser Rezeptur zu sehr mit den Nachfragezutaten gegeizt wird, sodass der
ganze Konjunkturkäsekuchen nicht richtig aufgeht, wollen sie nicht wahrhaben und
glauben lieber an Hexerei auf der Angebotsseite. Doch da macht die Marktwirtschaft
dem Kapitalismus einen Strich durch die Milchmädchenrechnung und sagt
einfach "njet" zu allen Wirtschaftswachstumswolkenkuckucksheimen.
Das große Schreckgespenst hinter der in sich widersprüchlichen Theorie vom engeren Gürtel ist der globale Wettbewerbsdruck,
der uns ausgerechnet von denen Furcht erregend an die Wand gemalt wird, die von Globalisierung gar nicht genug bekommen
können. Es wird dabei suggeriert, dass, wenn "wir" nicht bereit seien, den Gürtel enger zu schnallen, unsere heimischen
Produkte von konkurrenzfähigeren ausländischen Erzeugnissen verdrängt würden (auch von Produkten
abgewanderter deutscher Unternehmen, die im Ausland kostengünstiger produzieren könnten) und uns hierzulande die Arbeit ausginge.
An dieser (Be-)Drohung ist schon etwas dran, aber man sollte sie auch nicht überschätzen.
Man stelle sich doch einmal ein Deutschland vor, dessen Bewohner gezwungenermaßen auf der
faulen Haut liegen, weil sie einerseits ihre Produkte im Ausland nicht mehr los werden, und andererseits mit Gütern aus dem Ausland
überschüttet werden.
Wenn das eine realistische Vorstellung sein soll, kann man ihr auch eine positive Seite abgewinnen. Ja, das wäre
doch eigentlich wie im Schlaraffenland - wo den Massenarbeitslosen die gebratenen Importtauben in Mund fliegen und die Leute den
Gürtel ganz weit schnallen müssen.
Und angesicht solcher Aussichten sollen wir den Gürtel enger schnallen und wie bekloppt malochen? Nein danke, wir sollten
uns lieber als gute Wettbewerbsverlierer zeigen - und von den Siegern verwöhnen lassen.
Es könnte allerdings sein, dass die ausländischen Wirtschaftspartner an ihrem übergroßen Erfolg im internationalen
Wettbewerb schon bald keine rechte Freude mehr hätten, weil sich solche einseitigen Auslandsgeschäfte volkswirtschaftlich
einfach nicht rechnen. (In diesem Zusammenhang haben die Währungswechselkurse eine wichtige Funktion - ein Mechanismus,
der allerdings innerhalb der Eurozone außer Kraft ist).
Unsere Schlaraffenzeit dürfte jedenfalls nicht lange währen. Schade, aber dann wird eben wieder in
die Hände gespuckt, und wir machen unser Bruttosozialprodukt wieder selber - wie es den internationalen Gepflogenheiten entspricht
(auch im Zeitalter der Globalisierung).
Anmerkung: Bruttosozialprodukt (nach neuerer Terminologie Bruttonationaleinkommen)
und Bruttoinlandsprodukt, auf das sich das Wirtschaftswachstum bezieht, sind nicht ganz dasselbe, aber darauf soll
es hier nicht ankommen. Zum Unterschied siehe Tabelle Wertschöpfung, Inlandsprodukt,
Nationaleinkommen. Dort taucht auch das Volkseinkommen auf, mit den beiden Komponenten
Unternehmens- u. Vermögenseinkommen und dem Arbeitnehmerentgelt.
An der Argumentation vom engeren Gürtel über die höhere Wettbewerbsfähigkeit
zum steigenden BIP missfällt auch, dass so getan wird, als stünde die deutsche Wirtschaft
wie in einer Wagenburg gegen die angreifenden Wettbewerbs-Indianer aus dem Ausland. Dabei kämpft doch jedes
Unternehmen gegen jedes andere Unternehmen seiner Branche, und ob es gegen die Konkurrenz im Inland oder im Ausland geht,
ist doch in Wahrheit völlig Wurscht.
Der Wettbewerb ist aus der Marktwirtschaft nicht wegzudenken, und über die könnte man
in Abwandlung einer Bemerkung Churchills (über die Demokratie - Originalzitat
s. The Quotations Page) sagen:
Die Marktwirtschaft ist die schlechteste aller Wirtschaftsformen - mit Ausnahme aller anderen, die ausprobiert wurden.
Aber man darf die Wettbewerbsidee nicht so unbedacht von der Ebene der miteinander konkurrierenden
Unternehmen auf die Ebene der Volkswirtschaften und Staaten übertragen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die
Europäische Union mit ihrem Binnen-Markt und einer gemeinsamen Währung (innerhalb der Eurozone) sowie einer Förderungspoltik,
die ausdrücklich darauf abzielt, die wirtschaftsschwächeren Mitglieder an das Durchschnittsniveau des Pro-Kopf-BIP
heranzuführen.
(Siehe in diesem Zusammenhang:
Unterstützung
der Entwicklung der am wenigsten wohlhabenden Regionen, eine Webseite der EU.)
Für diese Förderpolitik hat auch der deutsche Steuerzahler nicht gerade wenig gezahlt. Wenn sich dann
deutsche Oppositionspolitiker darüber mokieren, dass sogar Griechenland mehr Wirtschaftswachstum habe als Deutschland, ist
das einfach Kokolores. Die Schwächeren sollen ja mehr Wachstum haben, um den Anschluss finden, und in dem
Maße, als ihnen dies gelingt, werden logischerweise auch die Stärkeren durchschnittlicher. Dies als Zurückfallen zu
interpretieren, ist Kappes.
Wenn eine fortschreitende europäische Integration politisch gewollt ist (wenn!), dann müssen auch die Deutschen
akzeptieren, beim Pro-Kopf-BIP nur noch Mittelmaß zu sein. Wer nach einer überdurchschnittlichen Position strebt, will
implizit andere auf einen unterdurchschnittlichen Platz verweisen, und das kann in einer politischen Gemeinschaft von Staaten
ja wohl nicht angehen. Deshalb muss hier ein gutes Mittelmaß für alle das Ziel sein.
Das Treiben der ökonomischen Wettbewerber, die sich gegenseitig distanzieren wollen
(das ist ja das Wesen des Wettbewerbs) und von denen der eine den anderen auch schon mal über die Klinge springen lässt, steht
auf einem ganz anderen Blatt. Die Politik darf sich in diesen Wettbewerb nicht verwickeln lassen, sondern muss darüber stehen und in länderübergreifender Zusammenarbeit
darauf hinwirken, dass er nicht ausufert.
Nationalmannschaften sollten besser auf dem grünen Rasen gegeneinander antreten. Die europäische Wirtschaft
ist ebenso wie die ganze Weltwirtschaft keine Spielwiese, auch wenn die global players das gerne so hätten.
Hören wir doch endlich auf mit dem idiotischen Wettbewerbsgequatsche, mit dem wir Wirtschaft und Politik, Elemente des Sports
und nicht zuletzt Wissenschaft - und hier wieder Volks- und Betriebswirtschaftslehre - völlig durcheinanderwerfen!
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