Zur bevorstehenden Alterung der Bevölkerung Deutschlands


Inhalt:

Kurz gefasst:
Annahmen der Bevölkerungsvorausberechnung
- Unsicherheitsfaktor Zuwanderung
- Einige Berechnungsergebnisse (bei einer Altersgrenze von 65)

Weitergehende Bemerkungen:
Arbeits- und Erwerbslosigkeit
Arbeitsproduktivität und Wirtschaftswachstum
- Ein paar Links zu Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsdaten
Rente mit 67?

Übersichten:
Bevölkerungsanteile der Altersgruppen und Altenquotient
  bei Altersgrenzen von 65 und 67




Annahmen der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes und der Länder (2009) - Rechenvariante "mittlere Bevölkerung"

Die Geburtenhäufigkeit in Deutschland scheint sich auf einem sehr niedrigen Niveau (1,4 Geburten pro Frau) festgefahren zu haben. Auf ein alterndes Elternpaar = 2 Menschen kommen also nur noch 1,4 Menschen der nächsten Generation.

Vgl. Tabelle des Statistischen Bundesamts: Durchschnittliche Kinderzahl je Frau (d. h. zusammengefasste Geburtenziffer: "Sie gibt an, wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommen würde, wenn ihr Geburtenverhalten so wäre wie das aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im jeweils betrachteten Jahr.")

Auf der anderen Seite ist aufgrund langjähriger Erfahrungen in den nächsten Jahrzehnten ein weiterer Anstieg der Lebenserwartung um mehrere Jahre wahrscheinlich. 2060 soll die Lebenserwartung (zum Zeitpunkt der Geburt) für Männer 85,0 und für Frauen 89,2 Jahre betragen. Das bedeutet gegenüber 2008 einen Anstieg um 7,8 bzw. 6,8 Jahre.

Lebenserwartung 2008 zum Zeitpunkt der Geburt: 77,2 Jahre [Männer] bzw. 84,0 Jahre [Frauen]. Für einen 65-jährigen Rentner beträgt die restliche durchschnittliche Lebenswartung noch rund 17, für eine gleichaltrige Rentnerin noch gut 20 Jahre. (Vgl. Sterbetafeln [Excel] des Statistischen Bundesamts.) Das voraussichtliche durchschnittliche Sterbealter von 65-Jährigen liegt demnach heute schon bei 82 bzw. 85 Jahren und wird aller Voraussicht nach weiter steigen.

Ferner wird mit Zuwanderungsüberschüssen (= Netto-Zuwanderung) in einer Größenordnung von 100.000 bis 200.000 Personen pro Jahr gerechnet (obwohl die in den letzten Jahren etwas geringer ausgefallen sind, nachdem sie in der Vergangenheit auch schon wesentlich höher waren - s. u.).

Aufgrund dieser Annahmen hat das Statistische Bundesamt [in Zusammenarbeit mit den Statistikämtern der Bundesländer] eine Modellrechnung "mittlere Bevölkerung" mit einer Untergrenze (bei Annahme von 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr ab 2014) und einer Obergrenze (bei Annahme von 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr ab 2020) durchgeführt.

Daneben gibt es weitere Rechenvarianten, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Nachdem bereits an anderer Stelle kurz auf den bevorstehenden Rückgang der Bevölkerung eingegangen wurde, folgen hier ein paar Zahlen und Bemerkungen (auch unter wirtschaftlichen Aspekten) zur Alterung.

Haupt-Quelle bzw. Berechnungsgrundlage ist die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Bundes und der Länder. Siehe dazu Pressekonferenz des Statistischen Bundesamts vom November 2009
- mit weiterführenden Links, u. a. zu einer Publikation, die auch hier im internen Archiv zur Verfügung steht:
Bevölkerung Deutschlands bis 2060,
12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung,
Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin (Broschüre / PDF).


Unter den oben skizzierten Annahmen sind die zur Zuwanderung wohl am unsichersten.

Wie stark Zuwanderung - unter mehr oder weniger erfolgreichen politischen Steuerungsversuchen - bei kaum zu kontrollierenden politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Ausland schwanken kann, hat die Vergangenheit gezeigt: rund 782.000 Personen im Jahr 1992 und nur 23.000 Personen 2006. 2007 waren es mit 44.000 Personen schon wieder etwas mehr und es wäre wohl ein Leichtes, die Zahl durch eine Lockerung der Zuzugsregeln wieder in die Höhe schnellen zu lassen.

Dabei ist die demographisch relevante Netto-Zuwanderung von der sehr viel höheren (und integrationspolitisch relevanteren) Brutto-Zuwanderung zu unterscheiden, der allerdings auch eine sehr hohe Abwanderung gegenübersteht. Zur Zu- und Abwanderung der letzten Jahre siehe aktuelle Tabelle des Statistischen Bundesamts.
Von 1991 bis 2000
  ergaben 10,475 Mio. Zuzüge und 7,123 Mio. Fortzüge eine Netto-Zuwanderung von 3,351 Millionen,
  das sind im Durchschnitt rund 335.000 pro Jahr.
Von 2001 bis 2007
  ergaben 5,321 Mio. Zuzüge und 4,458 Mio. Fortzüge eine Netto-Zuwanderung von 0,863 Millionen,
  das sind im Durchschnitt rund 123.000 pro Jahr.

Von daher erscheint eine langfristige Netto-Zuwanderung von durchschnittlich 100.000 bis 200.000 Personen pro Jahr nicht zu hoch gegriffen, auch wenn die Zahlen seit 2004 weit unter 100.000 lagen.

Kaum brauchbar sind dabei Ergebnisse für 2008, da in diesem Jahr im Zusammenhang mit der bundesweiten Einführung der Steuer-Identikationsnummer viele "Karteileichen" beseitigt wurden, deren Abgang statistisch wie ein Fortzug ins Ausland wirkt und so den rechnerischen Wanderungsaldo 2008 verzerrt.

Die eine Variante der Vorausberechnung nimmt einen bis 2014 auf 100.000 Personen steigenden und dann so anhaltenden Wanderungssaldo an. Die andere Variante geht davon aus, dass der Saldo bis 2020 auf 200.000 Personen steigt und dann auch auf diesem Niveau verbleibt (jedenfalls im langjährigen Durchschnitt).

Was den der Zuwanderung nachgesagten "Verjüngungseffekt" betrifft, muss man sich allerdings von vornherein klarmachen, dass Zuwanderer, selbst wenn sie bei der Einreise deutlich jünger sind als der Bevölkerungsdurchschnitt, niemals die gleiche demographische Wirkung haben können wie Neugeborene. Schon lange vor diesen erreichen sie die Altersgrenze und erhöhen dann den Altenanteil der Gesellschaft (sofern sie nicht wieder abwandern, dann aber auch eventuelle Rentenansprüche mitnehmen).

Leicht nachzurechnen ist: Ein Türke, der 1970 im Alter von 30 Jahren noch als klassischer "Gastarbeiter" angeworben wurde (Anwerbestopp war 1973), ist heute bereits 70 und schon seit Jahren Rentner. Ein Ost-Europäer, der 1990 (nach Öffnung des Eisernen Vorhangs) mit 30 Jahren nach Deutschland kam, wird schon in 20 Jahren (2030) das 70. Lebensjahr erreichen. Ein dreißigjähriger Einwanderer von heute, vielleicht ein IT-Experte aus Indien, wird im Jahr 2050 siebzig Jahre alt.

2050 aber wird der Bevölkerungsanteil der Alten bzw. der Personen im Rentenalter und ihr rechnerisches Verhältnis zu den Personen im Erwerbsalter (Altenquotient) - trotz anhaltender Zuwanderung - so hoch sein wie nie zuvor, nur eben nicht ganz so hoch wie ohne permanente Zuwanderung. Diese relative Verjüngung verhindert die fortschreitende Alterung also nicht (und ist daher nicht das beste Pro-Argument in der politischen Debatte um Zuwanderung, deren Pro und Contra aber nicht unser Thema ist).


Betrachten wir nun einige Ergebnisse der Vorausberechnung.

[Quelle bzw Berechnungsgrundlage sind vor allem die Anhangtabellen der o. a. Publikation des Statistischen Bundesamts.]


  • Altenquotient

2008 kamen auf 100 20- bis unter 65-Jährige 33,7 Personen im Alter ab 65.
2030 werden es - bei anhaltend niedriger Geburtenhäufigkeit, steigender Lebenserwartung
und 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 52,8 Personen oder
bei 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 51,4 Personen sein,
2050 bereits 64,4 bzw. 60,5 Personen,
mit immer noch steigender Tendenz.

Auf die Personen im Erwerbsalter (dessen Beginn und Ende individuell sehr verschieden und das hier mit dem 20. und 65. Lebensjahr nur grob markiert ist) kommt also zur Jahrhundertmitte ein (gegenüber heute) etwa verdoppelter Altenquotient zu.

Ironischerweise sind die bis dahin so extrem "übergewichtig" werdenden Senioren jedoch niemand anders als die Jüngeren von heute - Zuwanderer eingeschlossen.


  • Bevölkerungsanteile der Altersgruppen

2008 betrug der Bevölkerungsanteil der 20- bis unter 65-Jährigen 60,6 % (49,655 Mio. von 82,002 Mio.).
2030 sind es nach den Berechnungen - bei anhaltender Geburtenschwäche, steigender Lebenserwartung
und 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 54,5 % (42,149 Mio. von 77,350 Mio.) oder
bei 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 55,0 % (43,465 Mio. von 79,025 Mio.),
2050 nur noch 51,5 % bzw. 52,6 % (35,722 Mio. von 69,412 Mio. bzw. 38,704 Mio. von 73,608 Mio. ).

Ohne besonderen Unterschied hinsichtlich der beiden Zuwanderungsvarianten sinkt also der Anteil der 20- bis unter 65-Jährigen bis 2030 um circa 6 Prozentpunkte, bis 2050 um 8 bis 9 Prozentpunkte.
Betrachten wir noch die übrigen Altersgruppen, im Folgenden kurz als "Alte" und "Junge" bezeichnet:

Alte:
2008 betrug der Anteil der Personen im Alter ab 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung 20,4 %.
2030 sind es den Berechnungen zufolge je nach Zuwanderungsvariante 28,8 % bzw. 28,3 %,
2050 schon 33,1 % bzw. 31,8 %.

Das erscheint schon dramatisch: Heute machen die Alten ab 65 rund ein Fünftel, 2030 schon mehr als ein Viertel und 2050 rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung aus.

Um zu vermeiden, dass Arbeitnehmer und personalintensive Unternehmen mit explodierenden Rentenbeiträgen unerträglich hoch belastet werden, wird man also um tiefgreifende Änderungen am heutigen Rentensystem kaum umhinkommen. Steuerfinanzierte Grundrenten wären vielleicht ein Ausweg. Stattdessen setzt aber die heutige Politik auf ein höheres Renteneintrittsalter. Darauf kommen wir noch zurück.

Junge:
2008 betrug der Anteil der Personen unter 20 Jahren an der Gesamtbevölkerung 19,0 %.
2030 sind es den Berechnungen zufolge bei beiden Zuwanderungsvarianten nur noch 16,7 %,
2050 noch 15,4 % bzw. 15,6 %
(mit leicht steigenden Aussichten aufs danach folgende Jahrzehnt).

Alte und Junge zusammen:
2008 betrug der gemeinsame Anteil der Personen unter 20 und ab 65 Jahren an der Bevölkerung 39,4 %.
2030 werden es 45,5 % bzw. 45,0 % und
2050 schon 48,5 % bzw. 47,4 % sein.

Reziprok zur mittleren Altersgruppe steigt der gemeinsame Bevölkerungsanteil von Alten und Jungen bis 2030 um circa 6 Prozentpunkte, bis 2050 um 8 bis 9 Prozentpunkte. Dass dieser Anstieg nicht noch höher ausfällt, liegt daran, dass der Anteil der Jungen zurückgeht.

So merkwürdig das im Zusammenhang der Alterungsproblematik klingen mag, bringt das eine gewisse Entlastung für die mittlere Altersgruppe, die ja nicht nur die Alten, sondern auch die Jungen versorgen, deren Schulausbildung finanzieren muss usw.

Das zahlenmäßige Missverhältnis zwischen Personen im Erwerbsalter und dem Rest der Gesellschaft entwickelt sich also nicht ganz so krass wie das Verhältnis dieser mittleren Altersgruppe zu den Alten ab 65.

Neben dem Altenquotienten (s. o.) sind daher auch Jugendquotient und Gesamtquotient zu beachten (siehe dazu o. a. Publikation des Statistischen Bundesamts). Alle Quotienten besagen: Auf 100 Personen im Erwerbsalter kommen soundsoviel Personen dieser oder jener Altersgruppe.


  • Verschiebungen innerhalb der Haupt-Altersgruppen

Innerhalb der Altersgruppe der Rentner steigt der Anteil der "Hochbetagten" ab 80.

"Die Alterung schlägt sich insbesondere in den Zahlen der Hochbetagten nieder. Im Jahr 2008 lebten etwa 4 Millionen 80-jährige und Ältere in Deutschland, dies entsprach 5 % der Bevölkkerung. Ihre Zahl wird kontinuierlich steigen und mit über 10 Millionen im Jahr 2050 den bis dahin höchsten Wert erreichen" (o. a. Publikation des Statistischen Bundesamts).

Innerhalb der Altersgruppe der Erwerbstätigen steigt der Anteil der Älteren ab 50.

"Die Abnahme der Zahl der 20- bis 65-jährigen geht mit einer Verschiebung hin zu den Älteren im Erwerbsalter einher. Zurzeit gehören 20 % der Menschen im erwerbsfähigen Alter zur jüngeren Gruppe der 20- bis unter 30-jährigen, 49 % zur mittleren Altersgruppe von 30 bis unter 50 Jahren und 31 % zur älteren von 50 bis unter 65 Jahren. Eine besonders einschneidende Veränderung der Altersstrukur erwartet die deutsche Wirtschaft zum ersten Mal bereits in zehn Jahren, zwischen 2017 und 2024. In diesem Zeitraum wird das Erwerbspersonenpotenzial jeweils zu 40 % aus 30- bis unter 50-jährigen und 50- bis unter 65-jährigen bestehen" (o. a. Publikation des Statistischen Bundesamts).

Ungeachtet solcher bedeutenden Verschiebungen innerhalb der Altersgruppen folgen wir nun wieder der einfachen soziologisch-ökonomischen Grobeinteilung der Bevölkerung in Kinder/Jugendliche, Erwerbstätige und Rentner.


  • Noch einmal zu der die Gesamtwirtschaft tragenden, breiten demographischen Guppe der
    Personen im Erwerbsalter (beim traditionellen - bis 2011 geltenden - Renteneintrittsalter von 65):

2008 betrug die Anzahl der 20- bis unter 65-Jährigen 49,665 Mio..
2030 sind es nach den Berechnungen - bei anhaltender Geburtenschwäche, steigender Lebenserwartung
und 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 42,149 Mio. oder
bei 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 43,465 Mio.,
2050 nur noch 35,722 Mio. bzw. 38,704 Mio.

Demnach wird diese Altersgruppe von 2008 bis 2030 um rund 7,5 Mio. bzw. 6,2 Mio. zurückgehen,
das sind dramatisch wirkende 15 % bzw. 12 % (gerundet).
Von 2008 bis 2050 sind es sogar 28 % bzw. 22 %.

Gleichzeitig schrumpft aber auch die Gesamtbevölkerung:
von 2008 bis 2030 um 6 % bzw. 4 % und
von 2008 bis 2050 um 15 % bzw. 10 % (zugrunde liegende Einwohnerzahlen weiter oben.)

Bei schrumpfender Gesamtbevölkerung wird der Bevölkerungsanteil der 20- bis unter 65-jährigen (nach den Zahlen weiter oben) von 60,6 % im Jahr 2008 bis zum Jahr 2030 auf 54,5 % bis 55,0 % zurückgehen. Das bedeutet wie schon gesagt eine Abnahme um etwa 6 Prozentpunkte. Bis 2050 soll der Rückgang 8 bis 9 Prozentpunkte betragen.


Arbeits- und Erwerbslosigkeit

Angesichts des Abschmelzens des Erwerbstätigenpotenzials darf jedoch eines nicht vergessen werden:

Schon heute stehen Millionen Personen im Erwerbsalter nicht mehr im Erwerbsleben - ganz ungewollt, weil die Wirtschaft schlicht keine Verwendung für sie hat: die registrierten und die nicht registrierten Arbeitslosen bzw. Erwerbslosen.

Ihr heutiger Bevölkerungsanteil dürfte kaum kaum geringer sein als 6 Prozent und damit nicht geringer als der voraussichtliche altersbedingte Schwund an Personen im Erwerbsalter bis etwa 2030 (d. h. die voraussichtliche Abnahme in Prozentpunkten, s. o.).

In ihrer Bevölkerungsvorausberechnung 2009 (s. o.) sagen die Demographen jedoch zum Thema "Arbeitslosigkeit" wenig. Im Zusammenhang mit den Annahmen über künftige Zuwanderung heißt es:

"Die aktuelle Wirtschaftskrise kann zwar kurzfristig zur höheren Arbeitsloskeit und damit zu einer vorübergehenden Abschwächung des Bedarfs an Arbeitskräften führen. Sie stellt aber Deutschland gleichzeitig vor verstärkte Herausforderungen, Innovationen in Wirtschaft und Forschung voranzutreiben. Angesichts einer rapiden Alterung des Erwerbspersonenpotenzials kann daraus ein höherer Bedarf an der Zuwanderung junger qualifizierter Arbeitnehmer entstehen. Verglichen mit seinen europäischen Nachbarländern werden die Schrumpfung und Alterung des Erwerbspersonenpotenzials in Deutschland besonders einschneidend ausfallen."

Hier geht es jedoch um den Schwund eines Potenzials, das heute bei weitem nicht voll genutzt wird, das offenbar viel zu hoch ist, wie uns die hohe Arbeitslosenzahl schon seit langem signalisiert - ein Signal, das von einer permanent auf Personaleinsparung bedachten Wirtschaft gesetzt wird! Es erscheint daher dringend angebracht, im Zusammenhang mit der Alterungsproblematik und Anhebung des Rentenalters auch die anhaltende Arbeits- und Erwerbslosigkeit im Blick zu behalten.

Arbeitslosigkeit und Erwerbslosigkeit sind zwei unterschiedliche Begriffe und statistische Konzepte zur Erfassung von Unterbeschäftigung.
(Zu den Unterschieden siehe J. Sauermann, IWH Halle: Erwerbslos oder arbeitslos - Zwei Seiten der gleichen Medaille?

Die Mehrzahl der Betroffenen wird von beiden Konzepten erfasst. In Deutschland sind grob zwei Drittel der Erwerbslosen nach Definiton der ILO (International Labour Organisation - eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen) zugleich arbeitslos nach den Kriterien der Bundesagentur für Arbeit.

Erwerbstätige und Erwerbslose:

2008 verzeichnete das Statistische Bundesamt nach dem ILO-Konzept rund 3,1 Mio. Erwerbslose (im Jahresdurchschnitt), gegenüber 40,2 Mio. Erwerbstätigen (davon 35,8 Mio. Arbeitnehmer und 4,4 Mio. Selbständige). Nach dem ILO-Kozept zählt schon 1 Arbeitsstunde pro Woche als Erwerbstätigkeit.

Erwerbstätige und Erwerbslose ergaben zusammen 43,4 Mio. "Erwerbspersonen" im Alter von 15 - 74, eine Spanne, die über das Erwerbsalter im Sinne der Bevölkerungsvorausberechnung (s. o.) hinausgeht. Diese (erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen) Erwerbspersonen standen 38,8 Mio. "Nichterwerbspersonen" gegenüber (Personen jeden Alters, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und auch keine suchen bzw. gar nicht dazu in der Lage sind).

An der Gesamtbevölkerung (82,1 Mio. im Jahresdurchschnitt 2008) hatten die 40,2 Millionen Erwerbstätigen einen Anteil von 49,0 %.
Die Zahl der Erwerbslosen nach ILO-Definition war mit 3,1 Mio. (= 3,8 % der Bevölkerung) kaum geringer als die Zahl der Arbeitslosen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit, auf die wir nun auch noch kurz eingehen wollen.

Arbeitslose:

Schon für eine ganze Reihe von Bundesregierungen war die Massenarbeitslosigkeit ein leidiges Problem, dessen Lösung sie immer wieder versprachen. Berühmtes Beispiel: Bundeskanzler Helmut Kohl "verstieg sich im Herbst 1996 zu der Aussage, bis zum Jahr 2000 sei eine Halbierung der Arbeitslosigkeit machbar. Damals lag die Arbeitslosenzahl bei etwa 3,9 Millionen. Danach stieg die Erwerbslosigkeit stetig bis auf 4,8 Millionen im Februar 1998, sank bis zur Bundestagswahl 1998 dann aber auf etwa vier Millionen" (www.tagesschau.de, 3.8.2009).

Arbeitslose 2000 (Jahreszahl der Bundesagentur für Arbeit): 3,9 Millionen
(also keine Halbierung à la Kohl, sondern Arbeitslosigkeit as usual.)

Hier in aller Kürze die gerundeten Jahreszahlen seit 1991, dem ersten Jahr nach der Wiedervereinigung:
1991 bis 2000: 2,6 - 3,0 - 3,4 - 3,7 - 3,6 - 4,0 - 4,4 - 4,3 - 4,1 - 3,9 (Millionen)
2001 bis 2008: 3,9 - 4,1 - 4,4 - 4,4 - 4,9 - 4,5 - 3,8 - 3,3 (Millionen).

2005 erreichte demnach die Zahl der offiziellen Arbeitslosen mit 4,9 Mio. im Jahresdurchschnitt einen historischen Höhepunkt und ging (nach ungewöhnlich hohem, von der Auslandsnachfrage stimulierten Wirtschaftswachstum 2006 und 2007, das noch bis ins beginnende Folgejahr anhielt) auf 3,3 Mio. im Jahr 2008 zurück, kann aber bei der inzwischen völlig veränderten Wirtschaftslage - die schon zu verbreiteter Kurzarbeit geführt hat - wieder stark ansteigen. Die fünf "Wirtschaftsweisen" prognostizieren in ihrem Jahresgutachten vom November 2009 für das Jahr 2010: "Es wird zu einem Anstieg der Zahl der registriert Arbeitslosen auf knapp 4 Millionen Personen kommen."

Unter dem Titel: "Mehr Arbeitslose trotz höherem Wachstum" schreibt die Süddeutsche Zeitung bzw. sueddeutsche.de im November 2009 unter Berufung auf die OECD:
"Die deutsche Wirtschaft wird 2010 stärker wachsen als die anderer EU-Länder - und dennoch steigt die Arbeitslosigkeit. ...
Während sich die Wirtschaft langsam wieder berappelt, steht den Arbeitnehmern das Schlimmste noch bevor. 2011 werden nach OECD-Angaben im Jahresdurchschnitt etwa 4,3 Millionen Menschen ohne Job sein."

Eigentlich nichts Ungewöhnliches - leider. Um die vier Millionen Arbeitslose (rund fünf Prozent der Gesamtbevölkerung) sind in Deutschland eigentlich schon Normalität (siehe obige Zahlen ab 1991). Wohlgemerkt registrierte, offizielle Arbeitslose, denen man aber eigentlich die "Stille Reserve" hinzurechnen muss, denn:

"Weder BA- noch ILO-Statistik können das Ausmaß der ‘wahren’ Unterbeschäftigung vollständig beschreiben. So werden bei beiden Konzepten Teilnehmer an AAMP-Maßnahmen [*] nur teilweise bzw. überhaupt nicht berücksichtigt. Zudem fehlt beiden Konzepten die systematische Erfassung der ‘entmutigten’ Arbeitslosen, die wegen schlechter Arbeitsmarktlage die Suche nach einer Tätigkeit aufgegeben haben, in besseren Zeiten jedoch wieder Arbeit anbieten werden" (Sauermann, IWH, s. o.).

[*) AAMP = Aktive Arbeitsmarktpolitik]

Nach einem (schon vor einigen Jahren herausgegebenen) Kurzbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit unter dem Titel: "Die ‘Stille Reserve’ gehört ins Bild vom Arbeitsmarkt", betrug diese im Jahr 2004 rund 1,6 Millionen.
("Zur Stillen Reserve gehören diejenigen, die grundsätzlich erwerbsbereit sind, aber in Zeiten einer schlechten Arbeitsmarktlage aus den verschiedensten Gründen nicht mehr in offiziellen Statistiken erscheinen.")

Unter Berücksichtigung der Stillen Reserve wären also für das Beispieljahr 2004 (statt "nur" 4,4 Mio. offiziellen) rund 6 Mio. faktische Arbeitslose = rund 7 % der Gesamtbevölkerung zu verzeichnen gewesen.

Eine Zahl von rund sechs Millionen faktisch Arbeitslosen (einschließlich Stiller Reserve) = rund sieben Prozent der Bevölkerung erscheint schon in näherer Zukunft wieder möglich (vielleicht durch fortgesetzte Kurzarbeit, die allerdings einen hohen Preis hat, gemildert und kaschiert).

Die auf hohem Niveau schwankende, aber anhaltende Arbeitslosigkeit ist wohl das dringendere und näher liegende Problem gegenüber dem sich langfristig abzeichnenden, altersbedingten Abschmelzen des Erwerbstätigenpotenzials, das nach Meinung des Autors zumindest für die nächsten ein, zwei Jahrzehnte auch als Chance für die Arbeitslosen begriffen werden kann.

Im Übrigen wissen wir auch gar nicht, wieviel menschliche Arbeitskraft allein durch den technischen Fortschritt und das damit verbundene Rationalisierungspotenzial in Zukunft noch überflüssig werden wird.

Der (auch als Berater von Regierungen und EU-Kommission tätige) amerikanische Soziologe und Ökonom J. Rifkin zum Beispiel sieht gar das Ende der Arbeit heraufziehen: "Langfristig wird die Arbeit verschwinden. (...) Wir sind mitten in einer Umwälzung, die die industrielle Revolution noch übertrifft. (...) die Computer und Informationstechnik von heute machen immer mehr Menschen ganz überflüssig. Selbst die billigste menschliche Arbeitskraft ist teurer als die Maschine." (Jeremy Rifkin. Siehe Wikipedia unter Arbeitslosigkeit.)


Arbeitsproduktivität und Wirtschaftswachstum

Der Zunahme der Alten und der Abnahme der mittleren Altersgruppe ist die Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität entgegenzuhalten, die sehr viel höher ausfallen könnte als die Alterung, wenn man sich an langjährigen Erfahrungen orientiert.

Als grobe Einschätzungshilfe ein paar statistische Angaben aus einer Pressemitteilung des Stat. Bundesamts vom September 2007:

"Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ist die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen in Deutschland im Zeitraum 1991 bis 2006 um insgesamt 22,5% und je Erwerbstätigenstunde um 32,4 % gestiegen. In der erkennbar günstigeren Entwicklung der Produktivität je Erwerbstätigenstunde spiegelt sich die Verringerung der je Erwerbstätigen durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden um 7,5 % wider.
Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität wird als Quotient aus preisbereinigtem Bruttoinlandsprodukt und Erwerbstätigen (Selbstständige und Arbeitnehmer) beziehungsweise Erwerbstätigenstunden berechnet."

(Man kann allerdings auch vermuten, dass die enorm gestiegene Arbeitsproduktivität zu einem beträchtlichen Teil der Arbeitsintensivierung - einem salopp gesagt: härterem, schnellerem Arbeiten - zu verdanken ist, das schon aus rein gesundheitlichen Gründen nicht beliebig weiter zu steigern ist.)

Bei fortschreitender Arbeitsproduktivität und schwächerem BIP-Wachstum drohen noch mehr Arbeitslose. Das ist ja auch das klassische Argument für Wirtschaftswachstum. Angeblich brauchen wir ja permanentes Wirtschaftswachstum, allein schon um die auf dem technischen Fortschritt basierende Steigerung der Produktivität aufzufangen.

Aber selbst jene, die sich traditionell das Wachstum auf die Fahnen geschrieben haben, distanzieren sich inzwischen von allzu großer Wachstumsgläubigkeit. Der schwarz-gelben Bundesregierung, die auch bei der Konsolidierung des Staatshalts voll auf Wachstum setzt, schrieben die "Wirtschaftsweisen" (in ihrem Jahresgutachten 2009/10) ins Stammbuch: "Wenn die langfristige Wachstumsrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts von 3 1/4 vH auf 4 vH gesteigert werden könnte - bei einer Preissteigerungsrate von 1,8 vH entspräche dies einer unrealistischen Potenzialwachstumsrate von 2,2 vH -, würde sich der durch die Schuldenbremse vorgegebene Konsoldierungsbedarf des Bundes von 37 Mrd Euro um maximal ein Drittel verringern. Ein höheres Wachstum erleichtert die Konsolidierungsaufgabe also, kann sie aber keineswegs lösen. Umgekehrt würde ein geringeres dauerhaftes Wachstum alles noch schwieriger machen."

Haushaltskonsolidierung ist nicht unser Thema, aber die Kritik an allzu unrealistischen Wachstumserwartungen gilt auch für andere Zusammenhänge, auch in Bezug auf die künftige Nachfrage nach Arbeitskräften. Vollbeschäftigung ist jedenfalls nicht in Sicht, eher anhaltende, wenn auch zyklisch schwankende Massenarbeitslosigkeit.


Die langfristigen deutschen Wachstumserwartungen sind im Übrigen auch deshalb zu mäßigen, weil die Bevölkerung insgesamt schrumpft (denn obwohl die Alten anteilig zunehmen, sterben mehr Menschen, als geboren werden.) Damit sinkt tendenziell auch das binnenwirtschaftliche Nachfragepotenzial.

Bei schrumpfender Bevölkerung und stagnierender Gesamtwirtschaft würde jedoch das Pro-Kopf-BIP ironischerweise noch steigen. Für manche sicherlich ein ketzerischer Gedanke. Die werden schon deshalb auf gesamtwirtschaftlichem Wachstum insistieren, weil sie es gewohnt sind, sich davon einen weit überproportionalen Batzen abzuschneiden. Vor allem der Finanzsektor zehrt vom realwirtschaftlichen Wachstum.

Dass ein Rückgang der Gesamtbevölkerung nicht gerade zur Zunahme der Gesamtwirtschaft beiträgt, liegt auf der Hand. Handfeste Wirtschafts- und Kapitalinteressen werden daher den Ruf nach Zuwanderung wieder lauter werden lassen, ob der Bevölkerungsrückgang als Grund genannt wird oder nicht. Hören wird man auf jeden Fall immer wieder das Argument: "Deutschland braucht junge qualifizierte Arbeitskräfte" - während gleichzeitig das Rentenalter angehoben wird und dabei nach wie vor Millionen Arbeitslose auf der Straße stehen.

In diesem Zusammenhang muss es auch erlaubt sein, mal ganz nüchtern über die "Einwanderung in die Sozialsysteme" zu sprechen, wie der amerikanische Journalist Christopher Caldwell (u. a. Kolumnist der Financial Times) im Dez. 2009 in FAZ.NET (Frankfurter Allgemeine).


Zu originären Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsdaten noch folgende Links:

Bundesagentur für Arbeit: Statistik > ... > Arbeitsmarkt

Statistisches Bundesamt: > ... > Bevölkerung und Erwerbstätigkeit

Statistische Ämter des Bundes und der Länder: VGR dL (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder)
> ... > Erwerbstätigkeit und Einwohner
> ... > Bruttoinlandsprodukt (mit Angaben zur Arbeitsproduktivität)



Rente mit 67?

Bei den obigen Zahlen, die von einer Altersgrenze bei 65 Jahren ausgehen, ist allerdings zu bedenken, dass das tatsächliche Rentenalter darunter liegt

"Das durchschnittliche Alter beim Übergang in die Altersrente steigt leicht. 2007 lag es bei 63,4 Jahren (Frauen) bzw. 63,4 Jahren (Männer). Das Alter, in dem Erwerbstätige wegen Erwerbsminderung in Rente gehen, liegt jedoch deutlich tiefer: Bei den Männern waren es 2007 bei 50,6 Jahre, bei den Frauen 49,4 Jahre" (Böckler-Boxen: Fakten zur Alterssicherung).

Andererseits ist schon die Rente mit 67 beschlossene Sache, die von 2012 bis 2029 schrittweise eingeführt werden soll.

Vergleichen wir den Altenquotienten bei einer gesetzlichen Altersgrenze von 65 und 67 Jahren:

2008 kamen auf 100 20- bis unter 65-Jährige 33,7 Personen im Alter ab 65.
2030 werden es - bei anhaltend niedriger Geburtenhäufigkeit, steigender Lebenserwartung
und 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 52,8 Personen oder
bei 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 51,4 Personen sein,
2050 bereits 64,4 bzw. 60,5 Personen,
(mit weiter steigender Tendenz).

2008 kamen auf 100 20- bis unter 67-Jährige 29,0 Personen im Alter ab 67.
2030 werden es - bei anhaltend niedriger Geburtenhäufigkeit, steigender Lebenserwartung
und 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 43,9 Personen oder
bei 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 42,7 Personen sein,
2050 bereits 56,3 bzw. 52,9 Personen,
(mit weiter steigender Tendenz).

Wenn man nur nach dem Altenquotienten geht und diesen bei einer Altersgrenze von 65 im Jahr 2030 mit einem unteren Wert von 51,4 für zu hoch erachtet (zu diesem Zeitpunkt soll allerdings schon die Rente mit 67 voll eingeführt sein), muss man auch den Altenquotienten bei einer Altersgrenze von 67 im Jahr 2050 mit einem unteren Wert von 52,9 als zu hoch bewerten und konsequenterweise lange vorher mit einer weiteren Anhebung des Rentenalters beginnen (wie bei der 2012 beginnenden Einführung der Rente mit 67). Nach dieser Logik wäre dann nach 2029, wenn die Rente mit 67 nach vielen kleinen Schritten eingeführt ist, mit weiteren Anhebungsschritten zu beginnen.

Tatsächlich hörte man schon von der Rente mit 70, zum Beispiel von der Jungen Union: "Philipp Mißfelder, Chef der Jungen Union, glaubt, Altersgeld mit 67 sei nur eine erste Anpassung - für seine Generation sei Rente mit 70 ‘realistisch’" (sueddeutsche.de, April 2007).

Eine knallharte "Laufzeitverlängerung" von Menschen wie bei Maschinen und Produktionsanlagen? Am liebsten bis zur Verschrottung?

Auf der anderen Seite muss man aber auch klar sehen, was ein so hoher Altenquotient bedeutet. Ein Wert von 50 besagt, dass auf 100 Personen im Erwerbsalter 50 Personen im Rentenalter kommen. Rein demographisch-statistisch betrachtet muss damit jeder Erwerbstätige, auch wenn er eine Familie zu unterhalten hat, noch einen "halben" Rentner versorgen.

Aber nicht jeder im Erwerbsalter ist erwerbstätig, viele sind arbeitslos und fallen den tatsächlich Erwerbstätigen über die Systeme der sozialen Sicherung zusätzlich zur Last.

Unter diesen Umständen kann von den (bis über die Ohren im Berufsstress stehenden) Jüngeren eines am wenigsten erwartet werden: dass sie mehr natürlichen Nachwuchs produzieren, um der Alterung der Bevölkerung entgegenzuwirken.

Ein Vergleich der Personenzahlen in der Altersgruppe der Erwerbstätigen bei Altersgrenzen von 65 und 67:

2008 betrug die Anzahl der 20- bis unter 65-Jährigen 49,665 Mio..
2030 sollen es nach den mittleren Berechnungsvarianten
und 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 42,149 Mio. oder
bei 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 43,465 Mio.sein,
2050 noch 35,722 Mio. bzw. 38,704 Mio.

2008 betrug die Anzahl der 20- bis unter 67-Jährigen 51,477 Mio.
2030 sollen es nach den mittleren Berechnungsvarianten
bei 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 44,771 Mio. oder
bei 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 46,100 Mio. sein,
2050 noch 37,562 Mio. bzw. 40,622 Mio.

Bis 2030 erhöht sich durch die Anhebung der Altersgrenze von 65 auf 67 die Zahl der Personen im Erwerbsalter (bei beiden Zuwanderungsvarianten) um rund 2,6 Millionen.

Darunter sind dann zwar viele Personen, die sowieso nicht im Erwerbsleben stehen, z. B. Hausfrauen oder Arbeitnehmer, die nach 45 Rentenbeitragsjahren wie bisher (abschlagsfrei) mit 65 in Rente gehen können, aber auch viele, die nun als 65- und 66-Jährige auf ihren Arbeitsplätzen jüngere Nachrücker "blockieren", die in vielen Fällen der Volkswirtschaft als Arbeitslose zur Last fallen könnten.

Ohne vorherigen Abbau der Massenarbeitslosigkeit (s. o.) macht ein höheres Renteneintrittsalter jedenfalls keinen wirklichen Sinn. Es ist ja noch gar nicht lange her, da wurden ältere Arbeitnehmer in Frührente geschickt (in der Absicht, dadurch Stellen für jüngere Arbeitnehmer frei zu machen, doch viele dieser Stellen wurden dank steigender Produktivität einfach gestrichen). Nun sollen ältere Arbeitnehmer später in Rente gehen, obwohl nach wie vor und auf unbestimmte Zeit Massenarbeitslosigkeit herrscht. Das ist keine seriöse Sozial- und Arbeitsmarktpolitik!

Bei aller gebotenen Skepsis - vor allem hinsichtlich des künftigen Arbeitskräftebedarfs - ist der Gedanke an eine Anhebung des Rentenalters in einer Gesellschaft mit steigender Lebenserwartung jedoch nicht unplausibel. Andererseits ist aber auch nicht so mir nichts, dir nichts aus einer steigenden Lebenserwartung die Möglichkeit eines längeren Arbeitslebens zu folgern. Die individuelle Lebenswartung ist ja nicht unabhängig von den Strapazen des gesamten zurückgelegten Lebensweges einschließlich des Berufslebens.

Zu Risiken und Nebenwirkungungen eines höheren Renteneintrittsalters fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Man stelle sich vor, die Statistiker erklären uns eines Tages: Die allgemeine Lebenserwartung ist doch nicht so gestiegen, wie wir einst gedacht hatten - und das könnte an der Anhebung des Rentenalters liegen. Die Leute malochen einfach zu lange und sind dann zu früh kaputt.

Andererseits kommen wir damit vielleicht einer genialen Lösung näher. Länger arbeiten und früher sterben wäre natürlich am wirtschaftlichsten.

Jenseits aller Ironie bleibt zumindest abzuwarten, wie weit die Älteren den gesundheitlichen und anderen Anforderungen des Erwerbslebens gewachsen bleiben und nicht in einen "vorzeitigen" Ruhestand gehen müssen, der eigentlich nichts anderes ist als der normale, altgewohnte.

Wir müssen viel, viel gründlicher und kreativer denken und nachdenken.

Etwa über eine rigorose Neuverteilung des vorhandenen Arbeitsvolumens - vor allem auch aus Solidarität mit den Arbeitslosen, über sehr viel kürzere Wochenarbeitszeiten und dafür späteren Renteneintritt, der dann auch gesundheitlich besser zu verkraften wäre. Jüngere Menschen erhielten mehr Zeit für die Familie, was vielleicht auch zu einem Anstieg der Geburtenrate führen würde.

("Voller Lohnausgleich" bei stark verkürzten Arbeitszeiten wäre allerdings von vielen Unternehmen wohl etwas zuviel verlangt.
Unvermeidliche Abstriche beim Bruttolohn bräuchten nach Meinung des Autors aber nicht voll auf den Nettolohn durchzuschlagen, weil Sozialabgaben und Steuern aufgrund einer verringerten Zahl von Sozialleistungsfällen [Arbeitslose, Rentner] gesenkt werden könnten.
Der Zuwachs an erwerbsfreier Zeit [die uns Sterblichen kostbarer sein sollte als alle materiellen Güter der Welt] wäre dann proportional deutlich höher als der materielle Nettolohnverlust. Es würde hier zu weit führen, darauf näher einzugehen.)

Nachzudenken wäre auch darüber, was in einer Gesellschaft, in der die Lebenserwartung wirklich weiter steigt, die "jüngeren Alten" (Mitte 60) nach Beendigung ihres regulären Erwerbslebens noch für die "älteren Alten" tun könnten, etwa im Rahmen einer noch zu entwerfenden, staatlicherseits angemessen honorierten "Sozialarbeit" auf einfachem Niveau, einer Unterstützung in simplen täglichen Dingen, die aber ein "alter Alter" nicht mehr alleine schafft, der sich - ebenso tapfer wie für die Sozialkassen kostensparend - bemüht, den Umzug ins Altenheim so lange wie möglich aufzuschieben. Zugleich müssten allerdings solche Einrichtungen, die nun mal für viele die leider unvermeidliche Endstation sind, personell viel besser ausgestattet werden.


Zu tun gibt es jedenfalls reichlich für Jung und Alt, wenn zur Mitte des Jahrhunderts ein Drittel der Gesellschaft 65 und älter ist, auch wenn dies oft nicht über Märkte und herkömmliche Erwerbsarbeit in gewinnorientierten Unternehmen im Rahmen einer (grundsätzlich zu bejahenden) Marktwirtschaft organisierbar ist.

Dann braucht es eben "den Staat" - jedoch weniger einen "Finanzhilfenstaat" zur Rettung eines hypertrophierten Kapitalsektors auf Kosten der Allgemeinheit oder einen "Steuersenkungsstaat" für die Besserverdienenden oder - als Kehrseite der Medaille - einen "Sozialabbaustaat", sondern ganz im Gegenteil den "Sozialstaat" oder besser (zur deutlichen Unterscheidung vom "sozialistischen" Staat): den Rechts- und Sozialstaat auf dem Boden einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie ihn unsere Verfassung verlangt.

Auch wenn es manchen vielleicht nicht mehr passt - noch gilt Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz: "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat".


Es folgen noch ein paar
Übersichten mit den Bevölkerungsanteilen der Altersgruppen bei Altersgrenzen von 65 und 67:

Altersgruppe der Erwerbstätigen:

2008 betrug der Bevölkerungsanteil der 20- bis unter 65-Jährigen 60,6 % (49,655 Mio. von 82,002 Mio.).
2030 sind es nach den Berechnungen - bei anhaltender Geburtenschwäche, steigender Lebenserwartung
und 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 54,5 % (42,149 Mio. von 77,350 Mio.) oder
bei 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 55,0 % (43,465 Mio. von 79,025 Mio.),
2050 nur noch 51,5 % bzw. 52,6 % (35,722 Mio. von 69,412 Mio. bzw. 38,704 Mio. von 73,608 Mio. ).

2008 betrug der Bevölkerungsanteil der 20- bis unter 67-Jährigen 62,8 % (51,477 Mio. von 82,002 Mio.).
2030 sind es
bei 100.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 57,9 % (44,771 Mio. von 77,350 Mio.) oder
bei 200.000 Netto-Zuwanderern pro Jahr 58,3 % (46,100 Mio. von 79,025 Mio.),
2050 nur noch 54,1 % bzw. 55,2 % (37,562 Mio. von 69,412 Mio. bzw. 40,622 Mio. von 73,608 Mio. ).

Wenn wir einfach nur die arithmetischen Mittelwerte im Bereich zwischen der (zuwanderungsbedingten) Unter- und Obergrenze der mittleren Bevölkerungsvorausberechnung nehmen, wird die Sache übersichtlicher:

Personen im bisherigen und im künftig geltenden, verlängerten Erwerbsalter:

Bevölkerungsanteil der 20- bis unter 65-Jährigen:
2008:          60,6 % (         49,7 Mio. von          82,0 Mio.)
2030: circa 54,7 % (circa 42,8 Mio. von circa 78,2 Mio.)
2050: circa 52,0 % (circa 37,2 Mio. von circa 71,5 Mio.)

Bevölkerungsanteil der 20- bis unter 67-Jährigen:
2008:          62,8 % (         51,5 Mio. von          82,0 Mio.)
2030: circa 58,1 % (circa 45,4 Mio. von circa 78,2 Mio.)
2050: circa 54,7 % (circa 39,1 Mio. von circa 71,5 Mio.)

Hier noch die entsprechenden Zahlen für die übrigen Altersgruppen.
Zunächst die Personen im bisherigen und im künftigen, später beginnenden Rentenalter:

Bevölkerungsanteil der mindestens 65-Jährigen:
2008:          20,4 % (         16,7 Mio. von          82,0 Mio.)
2030: circa 28,5 % (circa 22,2 Mio. von circa 78,2 Mio.)
2050: circa 32,5 % (circa 23,2 Mio. von circa 71,5 Mio.)

Bevölkerungsanteil der mindestens 67-Jährigen:
2008:          18,2 % (         14,9 Mio. von          82,0 Mio.)
2030: circa 25,2 % (circa 19,7 Mio. von circa 78,2 Mio.)
2050: circa 29,8 % (circa 21,3 Mio. von circa 71,5 Mio.)

Und die Zahlen für die Jugend unter 20:

Bevölkerungsanteil der unter 20-Jährigen:
2008:          19,0 % (         15,6 Mio. von          82,0 Mio.)
2030: circa 16,7 % (circa 13,1 Mio. von circa 78,2 Mio.)
2050: circa 15,5 % (circa 11,1 Mio. von circa 71,5 Mio.)


Wählen wir noch eine andere Darstellung, die auch den Einfluss der beiden Zuwanderungsvarianten wieder sichtbar macht. Die erste Variante geht von jährlich 100.000, die zweite von jährlich 200.000 Netto-Zuwanderern aus. Dabei überkreuzen sich der demographische Einfluss der Zuwanderung und die (2029 abgeschlossene) Anhebung der gesetzlichen Rentenaltersgrenze auf 67.

2008:   Bevölkerungsanteile der Altersgruppen
            unter 20-Jährige: 19,0 % (15,6 Mio. von 82,0 Mio.)
20- bis unter 65-Jährige: 60,6 % (49,7 Mio. von 82,0 Mio.)
20- bis unter 67-Jährige: 62,8 % (51,5 Mio. von 82,0 Mio.)
 mindestens 65-Jährige: 20,4 % (16,7 Mio. von 82,0 Mio.)
 mindestens 67-Jährige: 18,2 % (14,9 Mio. von 82,0 Mio.)

2030:   Bevölkerungsanteile der Altersgruppen
            nach einer Netto-Zuwanderung von etwa 0,1 Mio. bzw. 0,2 Mio. Personen pro Jahr:
            unter 20-Jährige: 16,7 % (12,9 Mio. von 77,4 Mio.) bzw. 16,7 % (13,2 Mio. von 79,0 Mio.)
20- bis unter 65-Jährige: 54,5 % (42,1 Mio. von 77,4 Mio.) bzw. 55,0 % (43,5 Mio. von 79,0 Mio.)
20- bis unter 67-Jährige: 57,9 % (44,8 Mio. von 77,4 Mio.) bzw. 58,3 % (46,1 Mio. von 79,0 Mio.)
 mindestens 65-Jährige: 28,8 % (22,3 Mio. von 77,4 Mio.) bzw. 28,3 % (22,3 Mio. von 79,0 Mio.)
 mindestens 67-Jährige: 25,4 % (19,7 Mio. von 77,4 Mio.) bzw. 24,9 % (19,7 Mio. von 79,0 Mio.)

2050:   Bevölkerungsanteile der Altersgruppen
            nach einer Netto-Zuwanderung von etwa 0,1 Mio. bzw. 0,2 Mio. Personen pro Jahr:
            unter 20-Jährige: 15,4 % (10,7 Mio. von 69,4 Mio.) bzw. 15,6 % (11,5 Mio. von 73,6 Mio.)
20- bis unter 65-Jährige: 51,5 % (35,7 Mio. von 69,4 Mio.) bzw. 52,6 % (38,7 Mio. von 73,6 Mio.)
20- bis unter 67-Jährige: 54,1 % (37,6 Mio. von 69,4 Mio.) bzw. 55,2 % (40,6 Mio. von 73,6 Mio.)
 mindestens 65-Jährige: 33,1 % (23,0 Mio. von 69,4 Mio.) bzw. 31,8 % (23,4 Mio. von 73,6 Mio.)
 mindestens 67-Jährige: 30,5 % (21,1 Mio. von 69,4 Mio.) bzw. 29,2 % (21,5 Mio. von 73,6 Mio.)

Zur Zuwanderung sei nochmals angemerkt: Genau genommen gilt die angenommene Netto-Zuwanderung von 100.000 bzw. 200.000 Personen pro Jahr erst ab 2014 bzw. 2020. Bis dahin wird mit niedrigeren Zahlen gerechnet Aktuelle Angaben weiter oben.


Altenquotient
(Anzahl der Personen im Rentenalter pro 100 Personen im Erwerbsalter von 20 bis unter 65 bzw. 67)

Altenquotient
   bei Netto-Zuwanderung von 
100.000 Personen pro Jahr
 bei Netto-Zuwanderung von 
200.000 Personen pro Jahr
  2008 2030 2050 2030 2050
 Altersgrenze 
65 Jahre 
 16,7 Mio. / 49,7 Mio.
mal 100

= 33,7
 22,3 Mio. / 42,2 Mio.
mal 100

= 52,8
 23,0 Mio. / 35,7 Mio.
mal 100

= 64,4
 22,3 Mio. / 43,5 Mio.
mal 100

= 51,4
 23,4 Mio. / 38,7 Mio.
mal 100

= 60,5
 Altersgrenze 
67 Jahre
 14,9 Mio. / 51,5 Mio.
mal 100

= 29,0
 19,7 Mio. / 44,8 Mio.
mal 100

= 43,9
 21,1 Mio. / 37,6 Mio.
mal 100

= 56,3
 19,7 Mio. / 46,1 Mio.
mal 100

= 42,7
 21,5 Mio. / 40,6 Mio.
mal 100

= 52,9



Trotz Anhebung der Altersgrenze und Zuwanderung steigt der Altenquotient unaufhaltsam. Was tun?
Altersgrenze weiter rauf, meinen die einen - mehr Zuwanderung, die anderen - oder am besten gleich beides.
Erst mal die massenhafte Arbeitslosigkeit abbauen und die weitere Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität abwarten, meint dagegen der Autor
(siehe dazu weiter oben).
Schon die Rente mit 67, die ab 2012 schrittweise eingeführt werden soll, erscheint fragwürdig und kommt im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit so vieler Jüngerer zumindest verfrüht.
Die andererseits nicht zu ignorierende Alterungsproblematik und die Frage der Rentenfinanzierung erfordern bessere Ideen und vor allem eines: mehr Solidarität!


Zur Ergänzung: Alterstruktur im internationalen Vergleich: Deutschland, Welt und ausgewählte Länder



http://www.pdwb.de/nd21.htm

Homepage: www.pdwb.de