3 % Wirtschaftswachstum?


Zunächst ein kurzer Rückblick auf die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte in Deutschland.

Aus so genannten langen Reihen des Statistischen Bundesamtes ab dem Jahr 1970 (aktualisiert Februar 2005, siehe auch Archiv dieser Website > Tabellen für die Gesamtwirtschaft [EXCEL]) lässt sich errechnen, dass das deutsche Buttoinlandsprodukt (> Definition) mit 2.016,1 Milliarden Euro - in konstanten Preisen von 1995 - im Jahr 2004 fast 2,25mal so hoch ist wie 1970 (897,0 Mrd. €). In dem heutigen BIP ist allerdings die Wirtschaftsleistung der neuen Länder enthalten, die am 3.10.1990 der Bundesrepublik Deutschland beitraten, nachdem bereits am 1.7.1990 eine gesamtdeutsche Wirtschafts- Währungs- und Sozialunion geschaffen worden war.

Nach Angaben des Arbeitskreises "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder" zum BIP der Bundesländer in konstanten Preisen von 1995 (Berechnungsstand Februar 2005) verteilt sich das BIP 2004 wie folgt: alte Bundesländer ohne Berlin: 1.720,867 Milliarden Euro, neue Bundesländer ohne Berlin: 224,386 Mrd. Euro, Berlin: 70,847 Mrd. €.

Zwischen dem früheren Berlin-West und Berlin-Ost, der ehemaligen DDR-Hauptstadt, wird in den heutigen Statistiken nicht mehr unterschieden, sodass ein exakter Langzeitvergleich für das Gebiet der früheren BRD vor und nach der Wiedervereinigung offenbar nicht mehr möglich ist. Da aber beim Arbeitskreis VGR d L für die frühere BRD ab 1970 Rückrechnungsergebnisse nach Bundesländern vorliegen, können wir einen solchen Vergleich für die alten Länder ohne Berlin durchführen.

1970 betrug das BIP des früheren Bundesgebiets insgesamt 897,0 Mrd. Euro in konstanten Preisen von 1995. Dabei betrug der Anteil West-Berlins 35,246 Mrd. Euro, sodass auf das übrige Bundesgebiet (West-Deutschland im geographischen Sinne) 861,754 Mrd. Euro entfielen. 2004 entfielen auf die alten Bundesländer ohne Berlin wie gesagt 1.720,867 Milliarden Euro, fast exakt das Doppelte von 1970 (nach einem Zuwachs von 99,7 %).

1971 betrug das BIP des früheren Bundesgebiets 927,7 Mrd. Euro in konstanten Preisen von 1995 und der Anteil West-Berlins 35,456 rd. Euro, sodass für Westdeutschland 891,244 Mrd. Euro verblieben. Aus dem Anstieg von 861,754 Mrd. Euro im Jahre 1970 auf 891,244 Mrd. Euro im Jahre 1971 errechnet sich für 1971 ein Anstieg um 29,490 Mrd. Euro =  3,4 %.

Nicht sehr viel niedriger (27,223 Mrd. Euro) war der absolute Zuwachs in Westdeutschland im Jahr 2004, was aber nur eine Wachstumsrate von 1,6 % ergab, aus dem einfachen Grunde, weil das Ausgangsniveau des Jahres 2003 mit 1.693,644 Mrd. Euro sehr viel höher war als 1970. Prozentuale Wachstumsraten in dieser Größenordnung gelten bei uns aber eher als "Wachstumsschwäche".

So meinte beispielsweise Prof. Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, in einem Vortrag vor dem Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbands deutscher Banken am 3. Mai 2004: "Weil sich der wirtschaftliche Reformwille nicht durchsetzt, rechnen wir in den kommenden Monaten mit einem Anhalten des ‘Schmalspurwachstums’. Unsere Prognose für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts lautet rund 1,5 % in diesem und 1,7 % im kommenden Jahr." (Ganz ähnlich wie erwartet, wuchs das gesamtdeutsche BIP 2004 um 1,6 %, so wie auch das westdeutsche.)

Hier noch einmal der langfristige BIP-Anstieg in Westdeutschland im tabellarischen Überblick:

Bruttoinlandsprodukt Westdeutschlands
(alte Bundesländer ohne West-Berlin)
in konstanten Preisen von 1995
1970 861,754 Mrd. Euro + 29,490 Mrd. Euro = 3,4 % (1971)  + 859,113 Mrd. Euro = rund 100 %
(Verdoppelung von Ende 1970 bis Ende 2004)
1971 891,244 Mrd. Euro
 . . . . .
2003 1.693,644 Mrd. Euro  + 27,223 Mrd. Euro = 1,6 % (2004)
2004  1.720,867 Mrd. Euro


Ein annähernd gleich großer Zuwachs wie 1971 (inflationsbereinigt nach den Verhältnissen des Jahres 1995) reichte also im Jahr 2004 nur noch für 1,6 Prozent. Für 3,4 % reales Wirtschaftswachstum wäre im Jahr 2004 ein BIP-Zuwachs von rund 58 Mrd. Euro erforderlich gewesen.

In den 34 Jahren von (Ende) 1970 bis 2004 hat sich das (inflationsbereinigte) BIP bei schwankenden, aber tendenziell nachlassenden prozentualen Wachstumsraten wie gesagt etwa verdoppelt.
Das gleiche Ergebnis wäre letztendlich auch bei einer stetigen jährlichen Wachstumsrate von etwa 2,1 % pro Jahr erreicht worden: (1 + 2,1/100)34 = 1,02134 = 2,027 = rund 2 (also eine Verdoppelung). Dabei wäre allerdings der absolute Zuwachs von Jahr zu Jahr größer geworden.
(Ein solches exponentielles Wachstum würde auf lange Sicht eine immer steiler werdende Wachstumskurve ergeben.)


Wie sich das Bruttoinlandsprodukt in Westdeutschland tatsächlich entwickelt hat, zeigt das folgende Diagramm. Die zugrunde liegenden Zahlenwerte basieren auf den oben erwähnten Angaben des Arbeitskreises "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder" (einschließlich der Rückrechnungsergebnisse von 1970 bis 1990):

Entwicklung des BIP in Westdeutschland, also im früheren Bundesgebiet ohne Berlin-West, von (Ende) 1970 bis 2004 in konstanten Preisen von 1995 (Zahlen zu einigen Jahren in der obigen Tabelle):

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Ein weiteres Diagramm zeigt im gleichen Maßstab die Entwicklung des BIP in Ostdeutschland (mit dem früheren West-Berlin) von 215,400 Mrd. Euro im Jahr 1991 auf 295,100 Mrd. Euro im Jahr 2004 (in konstanten Preisen von 1995):

 
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(Im Jahr 2004 betrug das ostdeutsche Wirtschaftswachstum im Vergleich zum Vorjahr immerhin 1,3 %, was aber bei dem relativ geringen BIP-Volumen im Diagramm gar nicht sichtbar wird. 1992 hatte der ostdeutsche BIP-Anstieg gegenüber dem Vorjahr 8,7 % betragen.)



Ein drittes Diagramm stellt die Entwicklung des gesamtdeutschen BIP von (Ende) 1991 bis 2004 dar. In diesem Zeitraum stieg das BIP von 1710,8 Mrd. Euro auf 2.016,1 Mrd. Euro im Jahr 2004 (in konstanten Preisen von 1995).

 
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(Der prozentuale Anstieg des BIP gegenüber dem Vorjahr betrug im Jahr 2004 1,6 % und 1992 2,2 %. Im Jahr 1993 ging das BIP um 1,1 % zurück. Die höchste Wachstumsrate seit der Wiedervereinigung wurde im Jahr 2000 erzielt: 2,9 %.)


Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind jetzt rund 60 Jahre vergangen. Nehmen wir diese Zeitspanne zum Maßstab und stellen uns vor, Deutschland würde seine ökonomischen "Hausaufgaben" machen und dafür in den nächsten 60 Jahren pro Jahr durchschnittlich 3 % Wirtschaftswachstum "kriegen" (wie im Jahr 2000 auch schon beinahe erreicht).

3 % Wachstum pro Jahr klingt irgendwie recht moderat (nach Sparbuch oder Tarifabschluss - und dazwischen bestehen ja auch Zusammenhänge). Aber wie sich (auch ohne eine besondere mathematische Formel) mit einem einfachen Taschenrechner überprüfen lässt [1 + 3% + 3% + 3% usw.], würde das Bruttoinlandsprodukt bei 3 % Jahreswachstum in 60 Jahren auf beinahe das Sechsfache ansteigen - genau wie ein Kapital, das zu diesem Satz verzinst wird. Kapitalverzinsung ist jedoch nur ein rechnerischer Vorgang, wirtschaftliche Expansion hingegen vollzieht sich in der physikalischen Welt.

Nicht umsonst werden erhebliche statistische Anstrengungen unternommen, um herauszufinden, ob wirklich die Güter- und Dienstleistungsmenge steigt oder nur ihr Geldwert in jeweiligen Preisen. Das ist nicht unproblematisch, weil sich die Produkte nach und nach auch qualitativ verändern, neue hinzukommen und andere vom Markt verschwinden, aber das Ergebnis gilt jedenfalls als die tatsächliche Zunahme des BIP in so genannten konstanten Preisen, kurz als das reale Wirtschaftswachstum, das allseits so gepriesen, ja für unabdingbar gehalten wird.

Der Anstieg bei einem jährlichen Wachstum von 3 % in 60 Jahren lässt sich auch wie folgt errechnen:
(1 + 3/100)60 =1,0360 = 5,89, also wie gesagt fast eine Versechsfachung.

Da das BIP Deutschlands heutzutage rund ein Fünftel des EU-BIP ausmacht (vgl. Tabelle), wäre es dann größer als das heutige BIP aller 15 alten und der 10 (im Mai 2004) neu hinzugekommenen Mitglieder der Europäischen Union zusammengenommen. Neben Deutschland sind das Großbritannien, Irland, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Spanien, Portugal, Griechenland, Italien, Österreich, Dänemark, Schweden, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Malta und Zypern.

Und selbstverständlich wollen auch diese Länder ihr Wachstum haben. Und da das gemeinsame BIP der heutigen 25 EU-Mitglieder (in international dollars) mehr als ein Fünftel des Weltprodukts ausmacht, wäre die Wirtschaft der EU25 bei einem "gesunden" Jahreswachstum von 3 % in 60 Jahren größer als die gesamte heutige Weltwirtschaft.

Dabei erwartet man aber auch ein starkes Wachstum von der übrigen Welt (die das zum größeren Teil im Hinblick auf den Lebensstandard der Bevölkerung auch noch dringend nötig hat) und verspricht sich gerade vom Wachstum der Weltwirtschaft entscheidende Impulse für die Wirtschaft in Europa und natürlich auch hierzulande.

Aber wie wird die Erde in 60 Jahren aussehen, wenn sich die heutige Weltwirtschaft bei einem hypothetischen Jahreswachstum von 3 % nahezu versechsfacht hat? Und wenn die Erde das einigermaßen überstehen sollte, werden die Ökonomen dann wenigstens sagen: Jetzt sind wir ziemlich ausgewachsen und sollten vorsichtshalber langsam aufhören mit Wirtschaftswachstum? Schwer vorstellbar.

Zwar kann niemand genau sagen, wo die Grenzen des Wachstums liegen, aber einfach so lange wie möglich so viel Wachstum wie möglich herausholen zu wollen, hieße doch nur: Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht.


Und noch eines kommt hinzu. Wenn die gesamte Weltwirtschaft um 3 % jährlich wüchse und innerhalb dieser Weltwirtschaft auch die hoch entwickelten, reichen Länder wie Deutschland mit 3 % jährlich dabei wären, dann ginge es (wenigstens theoretisch) in materieller Hinsicht allen besser, aber die enormen wirtschaftlichen Disparitäten in der Welt verringerten sich nicht.

Um zu einer tendenziellen Angleichung zu kommen, müssen doch die armen Länder (zumal sie - leider - ein viel höheres Bevölkerungswachstum haben) wirtschaftlich stärker wachsen als die reichen. Und wenn diese auf ihren 3 % beharren, müsste das Wachstum in der übrigen Welt und in der Welt insgesamt noch stärker ausfallen. Das heißt, man bräuchte noch viel mehr als die hypothetische Versechsfachung des Weltprodukts innerhalb der nächsten 60 Jahre.

Wer jedoch bereits eine Versechsfachung (im Hinblick auf Klimaerwärmung, Ölpreisentwicklung und andere ökologische und ökonomische Probleme) für wenig realistisch hält und bereit ist, ein geringeres Weltwirtschaftswachstum als 3 % zu akzeptieren, der sollte vernünftigerweise auch bereit sein, die Wachstumserwartungen für die entwickelten Länder noch weiter zu reduzieren, und dann landen wir hierzulande sicherlich ganz weit unter 3 %.


Vielleicht ist ja ein ungebremstes Weltwirtschaftswachstum über einen kürzeren Zeitraum als 60 Jahre noch möglich und muss sogar um des lieben Weltfriedens willen sein. Umso schärfer aber wäre dann der irgendwann folgende Wachstumsknick. Und was dann?

Bei dreiprozentigem Wachstum hätte sich das Weltprodukt in etwa 23 Jahren schon verdoppelt und nach weiteren 23 Jahren nochmals verdoppelt, also insgesamt vervierfacht. (Verdoppelungszeiten lassen sich übrigens auf einfache Weise nach der Faustformel 70 dividiert durch Wachstumsrate einigermaßen genau errechen, in diesem Fall 70 : 3.)

Die sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute beurteilen in ihrem gemeinsamen Herbstgutachten 2004 die gegenwärtige Lage der Weltwirtschaft wie folgt: "Insgesamt dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt in der Welt im kommenden Jahr mit einer Rate von 3,2 % zunehmen, nach einem sehr kräftigen Anstieg von 3,9 % in diesem Jahr."

Für Deutschland erwarten die Institute für das Jahr 2005: "Alles in allem wird das reale Bruttoinlandsprodukt gemäß Prognose von fünf Instituten um 1,5 % zunehmen, nach 1,8 % im Jahr 2004. Das DIW Berlin prognostiziert dagegen für das kommende Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 2,0 %."

Ferner heißt es in dem Gutachten (wie bereits an anderer Stelle erwähnt): "Das Jahr 2005 wird laut Prognose der Institute konjunkturell kein schlechtes Jahr. Die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft wird jedoch nicht überwunden. Die Wirtschaftspolitik muss alles daran setzen, die Wachstumskräfte zu stärken."

(Das Gutachten finden Sie z. B. auf der Website des ifo Instituts München: www.ifo.de.)


Etwas mehr Respekt vor stetigem prozentualen Wachstum als ihre wirtschaftswissenschaftlichen Kollegen haben anscheinend Mathematiker und Naturwissenschaftler. Vielleicht interessiert Sie der Aufsatz "Wachstumsfetischismus" von Dr. Jürgen Grahl (Mathematisches Institut der Universität Würzburg).

Auch er stellt den angeblich erstrebenswerten Wachstumspfad von 3 % in Frage und ruft uns im zweiten Teil seiner Ausführungen 30 Jahre nach dem Erscheinen des Club-of-Rome-Berichts "Grenzen des Wachstums" in Erinnerung, "wie unnatürlich und absurd die Vorstellung permanenten exponentiellen Wachstums ist".

Anhand eines Rechenbeispiels (von Helmut Creutz, einem anderen Wachstumsskeptiker) führt er uns diese Absurdität eindrucksvoll vor Augen:

"Nehmen wir an, wir hätten einen einzigen Cent im Jahr von Christi Geburt zu einem jährlichen Zinssatz von 3% anlegen können. Was hätte der Zinseszinseffekt - der ja DAS typische Beispiel schlechthin für exponentielles Wachstum ist - seither aus ihm gemacht? Bis zum Jahr 468 wären wir nach dem Gesagten bereits bei 10.000 Euro angelangt. Im Jahre 1169 wären ungefähr 10 Billionen Euro erreicht gewesen, was von der Größenordnung her in etwa dem Volksvermögen in der Bundesrepublik entspricht. Noch nicht absurd genug? Im Jahre 2002 schließlich wäre aus unserem niedlichen, kleinen Cent ein Betrag geworden, der dem Wert von über 50 Billiarden Tonnen Gold entspräche; das ist eine Goldkugel von 170 km Durchmesser!"

"Übrigens: Hätten wir das Beispiel mit 5% statt 3% gerechnet, so wären wir im Jahr 2002 bereits bei 441 Milliarden Goldkugeln vom Gewicht der Erde angelangt!" - So weit der Mathematiker.


Zwei Jahrtausende sind natürlich eine lange Zeit. Aber am Anfang steht in den Rechenbeispielen ja auch nur ein einziger Cent. Das heutige BIP Deutschlands (der Wert der innerhalb eines Jahres im Inland erzeugten Güter und Dienstleistungen) beläuft sich aber schon auf rund 2,1 Billionen Euro = 210 Billionen Euro-Cent in jeweiligen Preisen. Das Weltprodukt beträgt (2003) ungefähr 36 Billionen Dollar = 3,6 Billiarden Dollar-Cent, ausgeschrieben: 3.600.000.000.000.000 Cent.
Wir können wohl darauf verzichten auszurechnen, wie viele Riesengoldkugeln theoretisch in den nächsten zweitausend Jahren aus den angegebenen Beträgen entstehen könnten.

(Aktuelle Angaben zum BIP der Länder der Erde finden Sie in den Quick Reference Tables der Weltbank, Total GDP, Angaben zum BIP nach Kaufkraftparität unter PPP GDP.
Den aktuellen Goldkurs [US$ pro Feinunze] finden Sie beispielsweise auf www.goldseiten.de, ebenso Währungswechselkurse und Informationen über Gewichtseinheiten wie die Feinunze.)

Die Umrechnung von Geldbeträgen in Gold veranschaulicht nicht nur unvorstellbar große Zahlen, sie bingt auch in Erinnerung, dass abstrakte Geldbeträge, wenn sie nicht durch irgendetwas Konkretes gedeckt sind (wenn nicht durch Gold, dann eben durch etwas anderes), keinen realen Wert haben - eigentlich eine Binsenwahrheit. Kein Kapitalist könnte sich dafür was kaufen.

(Die Bezeichnung "Kapitalist" scheinen viele keineswegs als unfreundlich zu empfinden, wenn beispielsweise der Chefredakteur der Financial Times Deutschland, Christoph Keese, in einem Buchtitel appelliert: "Rettet den Kapitalismus" und sich auch andere stolz als "Gesinnungskapitalisten" zu erkennen geben, wie auf der Website www.kapitalismus.de.)


Stellen wir uns die "kleinere" Goldkugel von 170 km Durchmesser, die nach den obigen Rechenexempeln bei einem Zinssatz von 3 % jährlich in 2002 Jahren aus einem einzigen Cent entstünde (bei einem Goldpreis von 10.000 Euro pro kg), noch etwas plastischer vor:

Würde man die Kugel in Mittelhessen positionieren und zur Hälfte eingraben, nähme sie eine Kreisfläche von rund 22.700 km² ein, die im Durchmesser etwa von Kassel bis Wiesbaden reichte. Die Fläche wäre noch etwas größer als Hessen, der größte Teil des Bundeslandes und Teile angrenzender Länder würden davon eingenommen. Dabei ragte die Kugel fast zehnmal so hoch auf wie der Mount Everest und reichte ebenso tief in den Erdboden.

Bevor eine solche Goldmenge (wie gesagt rund 50 Billiarden Tonnen) bei einer Weltjahresförderung von etwa 2½ Tausend Tonnen zusammenkommen kann, geht buchstäblich die Welt unter. Nach Angaben des Fischer Weltalmanach 2005 betrug die Weltförderung von Gold im Jahr 2003 nach ersten Schätzungen rund 2.580 t. Die Weltvorräte (derzeit bekannte Lagerstätten), die zu etwa 40 % im südlichen Afrika liegen, werden auf 56.000 t geschätzt. Zusätzlich zur Bergbauproduktion kommen jährlich 500 bis 600 t aus Altgoldbeständen auf den Markt.

3.440 Tonnen beträgt der in einem langen Zeitraum aus außenwirtschaftlichen Überschüssen aufgebaute Goldbestand der Deutschen Bundesbank, wie Bundesbankpräsident Welteke am 9.2.2004 in einer Rede zum Thema "Wirtschaft und Währung in Europa" mitteilte. Er ging dabei auch auf Überlegungen ein, einen Teil dieser nationalen Goldreserve nach und nach zu verkaufen.

Auch die Schweizer hatten schon überlegt, die Hälfte von ihren 2.600 Tonnen zu veräußern. Damit befasst sich ein Artikel vom 11.2.2000 in Schweizerzeit, in dem Haruko Fukuda, Präsidentin des World Gold Council in London, meint: "Der Aufstieg des Euro zur dritten, weltweit gehaltenen Reservewährung in Konkurrenz zum Dollar und zum Yen könnte die kurzfristigen Ausschläge der Wechselkurse verstärken. Das ruft nicht nach einer Rückkehr zum Goldstandard. Aber es unterstreicht die Bedeutung des Goldes als stabilisierendes Element im internationalen Währungssystem. Diese Lehre vertritt insbesondere Professor Robert Mundell, Nobelpreisträger 1999 in Wirtschaftswissenschaften."

Die legendären Goldreserven der USA in Fort Knox betragen nach Angaben der amerikanischen Münzanstalt 147,3 Millionen Unzen (recherchiert im Dezember 2004). Da die beim Edelmetallhandel verwendete Feinunze rund 31,1 Gramm entspricht, sind das rund 4.580 Tonnen. Eine Tonne des begehrten Schwermetalls entspricht etwa 80 Standardgoldbarren von 400 Feinunzen oder knapp 12½ Kilogramm. 4.580 Tonnen entsprechen annähernd 370.000 solcher Goldbarren. Früher lagerten in Fort Knox noch weit größere Bestände. Ende 1941 waren es 649,6 Mio. Unzen, also über 20.000 Tonnen Gold.

Aber was ist das schon im Vergleich zu unserer 170 Kilometer dicken und 50.000.000.000.000.000 Tonnen schweren Goldkugel, die bei einer jährlichen Verzinsung von 3 % seit Christi Geburt aus einem einzigen Cent "herangewachsen" wäre! - (Theoretisch.)

Bei dreiprozentiger Verzinsung wächst ein Anfangskapital in einem Jahr von 1 auf 1,03, in zwei Jahren auf 1,03 hoch 2 = 1,0609, in drei Jahren auf 1,03 hoch 3 = 1,092727 usw.
In 2002 Jahren entsteht aus 1 Cent bei dreiprozentiger Verzinsung ein Betrag von 1,032002 Cent = gut 50 Quadrillionen Cent - in Ziffern 50.000.000.000.000.000.000.000.000 Cent - oder 500 Trilliarden Euro. Wer’s nicht glaubt, kann das mit einem geeigneten Taschenrechner schnell nachrechnen (oder mit dem Windows-Zubehörprogramm "Rechner" > Ansicht: wissenschaftlich:  1,03  x ˆ y  2002  =  ... ).
Der errechnete Geldbetrag ergibt bei einem (ziemlich realitätsnahen) Goldpreis von 10.000 Euro pro Kilogramm (ziemlich realitätsferne) 50 Trillionen Kilogramm oder 50 Billiarden Tonnen Gold.

Und allein im anschließenden Jahr 2003 würde die Goldkugel wieder um 1,5 Billiarden Tonnen zunehmen. Hoch lebe das stetige Wirtschaftswachstum!


Wenn wir vom Wirtschaftswachstum sprechen, meinen wir natürlich kein monströses Objekt, das über die Jahrhunderte hinweg ständig an Masse zunimmt, sondern die kontinuierliche Zunahme einer periodischen Leistung, einer jedes Jahr aufs Neue erzeugten Güter- und Dienstleistungsmenge.

Dabei kommt es jedoch zur Akkumulation langlebiger Güter und entsprechenden Sättigungseffekten, die immer wieder den Ruf nach Produktinnovationen laut werden lassen, weniger um einem Gütermangel abzuhelfen, als einfach nur irgendetwas produzieren zu können und die Wirtschaft wieder "anzukurbeln" - nicht nur um das erreichte Niveau zu halten, sondern um Produktion und Konsum stetig zu steigern und damit nicht zuletzt auch dem Kapital zu Wachstum zu verhelfen.

Was reales Wachstum in der Realität bedeutet, wird wenig bedacht. Mit der Wirtschaft wächst beispielsweise auch die Siedlungs- und Verkehrsfläche - in einem Land mit festen geographischen Grenzen. Den Zusammenhang zwischen Inanspruchnahme von Fläche und Wirtschaftswachstum hat das Statistische Bundesamt 1999 in einer Studie "Zur Interpretation und Verknüpfung von Indikatoren (Interlinkages)", Anlage 2 zum Bericht der Bundesregierung vom April 2000 zur "Erprobung der CSD-Nachhaltigkeitsindikatoren in Deutschland", untersucht und kam zu dem Ergebnis:

"Würde sich der lineare Zusammenhang fortsetzen, so ist leicht ermittelbar, daß bei einem realen Wachstum von jährlich 2 oder 3 % in 121 bzw. 81 Jahren rechnerisch die Siedlungs- und Verkehrsfläche die gesamte Fläche der alten Bundesländer in Anspruch nehmen würde. Natürlich wird diese Entwicklung so nicht eintreten. Der Zusammenhang verdeutlicht jedoch anschaulich, daß dem Phänomen der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Flächenverbrauch in den nächsten Jahren eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden muß" (siehe auch Archiv dieser Website: Zur Interpretation und Verknüpfung von Indikatoren (Interlinkages) [PDF].

Wenn sich der Flächenverbrauch in den Jahren 2001 bis 2003 etwas abgeschwächt hat, dann ist das auch auf das relativ geringe Wirtschaftswachstum dieser Jahre zurückzuführen. Diesen Zusammenhang hat das Statistische Bundesamt wiederholt betont, so auch in einer Pressemitteilung vom 8.11.2004 zur Entwicklung im Jahr 2003, wo es heißt: "Der aktuelle Verlauf der Flächeninanspruchnahme dürfte insbesondere durch die schwache konjunkturelle Entwicklung und den weiteren Rückgang bei den Bauinvestitionen geprägt sein."

Gleichwohl ist in dem Jahr die Siedlungs- und Verkehrsfläche - trotz einer leicht rückläufigen Wirtschaftsentwicklung - pro Tag (!) um 93 Hektar = 0,93 Qadratkilometer = 930.000 Quadratmeter gewachsen und im ganzen Jahr um 341 Quadratkilometer. 12,6 % der Bodenfläche Deutschlands, also ein Achtel des Landes, werden nun von der Siedlungs- und Verkehrsfläche eingenommen. Von 357.041 km² Staatsgebiet sind 27.737 km² Siedlungsfläche und 17.353 km² Verkehrsfläche.

Ein großes, noch weitgehend unerschlossenes Wachstumspotential sehen manche im Dienstleistungssektor, der in entwickelten Ländern wie Deutschland schon längst den größten Teil der Wirtschaft ausmacht. Mit etwas Überlegung wird man aber schnell zu dem Schluss kommen, dass die meisten Dienstleistungen auf die eine oder andere Weise stark mit der Produktion, Distribution, Finanzierung oder Verwendung von Gütern verknüpft sind, ob das nun Handel ist oder Logistik oder Kreditvergabe oder Anlageberatung oder so eine spezielle, personenbezogene Dienstleistung wie die des Arztes, aus dessen Tätigkeit der Einsatz komplizierter Medizintechnik und aufwendig entwickelter und produzierter Arzneimittel nicht mehr wegzudenken ist.

Irgendwie landen wir also immer bei physikalischen Größen und werden daher auch nicht umhinkommen, physikalische Wachstumsgrenzen zu akzeptieren.


Einiges spricht dafür, dass das Wachstum sich selbst zum Feind wird und sich - wie das in der Natur eigentlich ganz normal, ja sogar notwendig ist - auf die eine oder andere Art selber ausbremst.

Dieses "Risiko" sehen - auf ihre Weise - auch Ökonomen. So meint z. B. Prof. Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, in einem (bereits an anderer Stelle kurz erwähnten) Vortrag vor dem Ausschuss für Wirtschafts- und Währungspolitik des Bundesverbands deutscher Banken am 3. Mai 2004:

"Trotz des augenblicklichen Schwungs und der sehr freundlichen Perspektiven für die Weltwirtschaft sehen wir nennenswerte Risiken. Insbesondere die kräftig gestiegenen Öl- und Rohstoffpreise könnten zu einer ernsthaften Belastung für die Weltwirtschaft werden."

"Eine Gefährdung für den globalen Konjunkturverlauf stellt ein Abknicken der Dynamik in China nach der derzeitigen Überhitzung dar, was den gesamten asiatischen Raum in Mitleidenschaft ziehen würde. Außerdem bleiben die Risiken ‘Terrorgefahr’ und amerikanisches ‘Zwillingsdefizit’ auch weiterhin auf der Tagesordnung." - (Mit dem US-Zwillingsdefizit ist das Defizit im Staatshaushalt der USA und ihr gleichzeitiges außenwirtschaftliches Leistungsbilanzdefizit gemeint.)

Mit China, USA und Terror werden hier drei ganz wichtige, weltwirtschaftlich relevante Faktoren - wenn auch sehr abstrakt und unverfänglich - benannt. Auf den internationalenTerrorismus wollen wir hier nicht eingehen. Darum kümmert sich schon - four more years - George W. Bush. Seine Wiederwahl zum US-Präsidenten ist allerdings, wie der Spiegel berichtet, vielen jungen Amerikanern peinlich, von denen sich manche im Internet humorig entschuldigen (siehe www.sorryeverybody.com oder www.sorryeverybody.de), beispielsweise mit den Worten: "Sorry world (we tried) - half of America". Aber das ist ein anderes Thema.

Was China betrifft, so sollte man sich vielleicht auch mal die dortige Bevölkerungsdichte ansehen, zum Beispiel in einem Vergleichsgebiet von der Flächengröße Deutschlands (bestehend aus den Provinzen Jiangsu, Shandong, Zhejiang und der Stadt Schanghai), und sich fragen, wie die wirtschaftliche Entwicklung auf ein westliches Konsumniveau hin (mit eigenem PKW statt Fahrrad, um nur ein Beispiel zu nennen) unter solchen bevölkerungsgeograhischen Rahmenbedingungen langfristig weitergehen soll. Dabei kann man den Chinesen - ganz ohne Ironie - nur viel Glück und vor allem gute Gesundheit wünschen.

"Der wirtschaftliche Boom in China hat eine gefährliche Schattenseite: Große Umweltprobleme und neue Krankheiten bedrohen Land und Menschen. Der ansteigende Konsum nach westlichem Vorbild wird die negativen Folgen für die Umwelt weiter verstärken und globale Konsequenzen haben" (Bericht des Presseportal unter Bezugnahme auf die März-Ausgabe 2004 von National Geographic Deutschland).

In einer Meldung von Spiegel-Online vom 5. März 2005 wird der Vizechef der chinesischen Umweltbehörde zitiert: "‘Über 150 Millionen ökologische Migranten, ja womöglich sogar ökologische Flüchtlinge’ seien die Konsequenz des einzig auf Zuwachs ausgerichteten Booms, sagte Vizeminister Pan und malte zum Auftakt der am Sonnabend beginnenden Sitzung des Nationalen Volkskongresses ein drastisches Bild von Chinas Umweltverschmutzung: Ein Viertel der 1,3 Milliarden Chinesen habe keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, ein Drittel der Städter müsse stark verdreckte Luft einatmen. Weniger als 20 Prozent des städtischen Mülls würden umweltverträglich entsorgt. Vizeminister Pan bezeichnete es als ‘Denkfehler’ anzunehmen, das starke Wachstum - voriges Jahr 9,5 Prozent - werde China zu einem späteren Zeitpunkt finanziell in die Lage versetzen, die Umwelt-, Rohstoff- und Bevölkerungskrise zu bewältigen."

Und was die klassische Weltwirtschaftslokomotive USA betrifft, die in einem weiten und vergleichsweise dünn bevölkerten Land ihre Runden dreht, so sollte man sich mal mal überlegen, was es - nicht nur für das Land, sondern auch für die Welt - bedeutet (beispielsweise im Hinblick auf die Ölnachfrage), wenn dieses gewaltige BIP mit den gewohnten Zuwachsraten weiterwächst.

Geht man von den Zahlen des Bureau of Economic Analysis beim amerikanischen Handelsministerium aus, so ist die Wirtschaft der USA zwischen 1970 und 2000 etwa um 37 Prozent pro Jahrzehnt gewachsen, das sind im Durchschnitt rund 3,2 % pro Jahr. Würde sich dieser Trend bis zum Jahre 2050 fortsetzen, käme es zu folgendem Anstieg des US-BIP:

1970
1980
1990
2000
2010
2020
2030
2040
2050


Exponentielles Wachstum, wie es im Buche steht. (Zahlenangaben dazu unter: Bruttoinlandsprodukt USA-Deutschland im Vergleich.) Bei einer solchen Entwicklung wäre das US-BIP 2050 schon größer als das gesamte Welt-BIP des Jahres 2000.

Bei dem absurd anmutenden BIP-Anstieg (bis 2000 nach den vorliegenden Angaben, danach rein hypothetisch!) muss man sich das hohe Ausgangsniveau vergegenwärtigen. Hinter dem im Diagramm noch etwas dürftig wirkenden US-BIP von 1970 steht in Wahrheit bereits eine gigantische Wirtschaftsleistung. Neben dem american way of life (an dem aber sicherlich nicht alle im gleichen Maße partizipierten) leisteten sich die Amerikaner in jenen Zeiten auch einen kolossal rüstungsintensiven Kalten Krieg mit der Sowjetunion, einen ungeheuer materialaufwendigen echten Krieg in Vietnam und das Apollo-Programm der NASA. Die ersten Amerikaner waren bereits auf dem Mond gelandet.

Wenn dieses Wirtschaftsvolumen bis 2050 nicht auf weit mehr als Zehnfache steigt (wie im Diagramm) müssen die Amerikaner nicht zwangsläufig am Hungertuch nagen, aber von Wachstumsraten um 3 % pro Jahr können sie sich verabschieden. Für gewisse exportwütige exportorientierte Länder und die großen Kapitalgeber aus dem Ausland wäre das aber kein besonderer Grund zur Schadenfreude.


Die Wachstumsdaten, die uns heutzutage aus den USA erreichen, mögen allerdings auch etwas übertrieben sein. Jedenfalls meint die Neue Zürcher Zeitung online in einem Artkel vom 30.10.2003: "US-BIP-Zahlen nicht direkt mit deutschen vergleichbar" und führt weiter aus:

(Reuters) Beim direkten Vergleich der Wachstumsraten der Wirtschaft in den USA und in Deutschland ist Vorsicht geboten. Ein Teil des dramatischen Unterschieds ist Folge unterschiedlicher Methoden der Darstellung und Berechnung. Zunächst meldet das amerikanische Handelsministerium aufs Jahr hochgerechnete Wachstumsraten. So gibt der am Donnerstag veröffentlichte Anstieg des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) im dritten Quartal von annualisiert 7,2% das Wachstum an, das innerhalb eines Jahres erreicht würde, wenn die Wirtschaft nun von Quartal zu Quartal mit dem gleichen Tempo wachsen würde.

In Deutschland dagegen wird das Wachstum im direkten Quartalsvergleich angegeben: So erwarten Experten einen Anstieg des realen deutschen BIP im dritten Quartal im Vergleich zum zweiten Vierteljahr um etwa 0,2%. In dieser Darstellung wuchs die Wirtschaft in den USA im dritten Vierteljahr allerdings mit rund 1,75% noch immer deutlich schwungvoller als die deutsche.

Doch nicht nur die Darstellung, auch die Berechnung des realen BIP in den USA ist anders als beim Statistischen Bundesamt in Deutschland. Vor allem das Herausrechnen von Preisveränderungen - der Weg vom nominalen zum realen BIP - unterscheidet sich. So werden in den USA traditionell so genannte «hedonische Verfahren» verwandt. Diese betonen stärker die Qualitätsveränderungen von Produkten im Laufe der Zeit. Dabei wird ein Teil des Preisanstiegs höherer Qualität zugeschrieben und gilt nicht als Inflation. Damit wird aber auf dem Weg vom nominalen zum realen BIP weniger abgezogen: Das reale BIP fällt also höher aus. Ein technisches Produkt mit exakt den gleichen Merkmalen würde also in den USA einen höheren Beitrag zum realen BIP liefern als in Deutschland.

Allerdings werden inzwischen auch in Deutschland mehr und mehr Preisindizes auf die hedonische Methode umgestellt. Ökonomen verweisen darauf, dass die Unterschiede unter dem Strich nur die direkte Vergleichbarkeit von Wachstumsraten erschweren. Dass die amerikanische Wirtschaft stärker und mit viel mehr Schwung wächst als die deutsche, ist unbestritten. 


Aber soll und kann sich Deutschland überhaupt mit diesem riesigen, von stetiger Masseneinwanderung geprägten Land messen? Dem "Land der unbegrenzten Möglichkeiten", das einst gerade die deutschen Auswanderer suchten, deren Nachfahren in den USA übrigens immer noch die größte unter den vielen Abstammungsgruppen bilden (auch wenn dort heute die Zuwanderung aus Asien und Lateinamerika dominiert.)

Wirtschaftliche Expansionsmöglichkeiten sind auch eine Frage des Raumes und seiner Besiedelung. Deshalb abschließend in aller Kürze noch ein paar geographische und demographische Vergleiche, um uns bewusst zu machen, wie sehr wir in Deutschland den Rahmen unserer Möglichkeiten bereits ausgefüllt haben.

Zunächst die Gesamtflächen der USA und Deutschlands
(nach aktuellen UN-Angaben - siehe Cyberschoolbus/Infonation - ,
 wobei die angegebene Fläche der USA von älteren Angaben an anderer Stelle etwas abweichen kann
):

USA    9.629.091 km²  
 
D 357.022 km²  

Selbst wenn man die weniger siedlungsfreundlichen Regionen der USA wie Alaska, die Rocky Mountains und einige Wüstengebiete in Rechnung stellt, bleibt ein weites und auch sehr rohstoffreiches "gelobtes Land" mit traumhaften Rahmenbedingungen für unternehmerische Aktivitäten aller Art, die nicht zuletzt wegen der Weite des Landes auch weniger "bürokratischen" Restriktionen ausgesetzt sind als im engen Deutschland, wo die zwangsläufigen Konflikte zwischen Ökonomie und Ökologie und der Lebensqualität der Menschen zu einem ganz anderen politisch-administrativen Reglementierungsbedarf führen müssen.

Dass die amerikanische Wirtschaft "mit viel mehr Schwung wächst als die deutsche", wird auch viel verständlicher, wenn man weiß, dass die Einwohnerzahl der USA allein zwischen den Volkszählungen von 1990 und 2000 durch natürliches Wachstum und Immigration um rund 13,2 % oder 32,7 Millionen Menschen gestiegen ist. Dieser Zuwachs in nur 10 Jahren war größer als die Gesamtbevölkerung Kanadas und entspricht etwa 40 % der heutigen Einwohner Deutschlands. Die langfristige Entwickung mit Projektionen für 2050 zeigt das folgende Diagramm:

Bevölkerung der USA und Deutschlands in den Jahren 1950, 2000 und 2050
nach Zahlen der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen,
World Population Prospects, the 2004 Revision (vgl. Nachtrag B)
:

 
 
 
USA
   
D
   
USA
   
D
   
USA
   
D
1950   2000   2050

[D 1950 = BRD + DDR]


Nicht wenige US-Bürger und Organisationen wie die Federation for American Immigration Reform (FAIR) oder Negative Population Growth (NPG) sehen das "Schwindel erregende" Bevölkerungswachstum in ihrem Land mit großer Besorgnis.

"This staggering growth is a problem that must be addressed now, for the sake of our environment, our quality of life, and future generations of Americans", meint NPG. Ursache von Umweltvergiftung, Energiekrise, Wasserknappheit, Verkehrsstaus, überfüllten Schulen, schwindender freier Landschaft und zertrampelten Nationalparks seien: "Too Many People". Die Organisation wirbt daher nicht nur für Einwanderungsbegrenzung, sondern auch für kleinere Familien, sprich: niedrigere Geburtenziffern (obwohl die Durchschnittsamerikanerin kaum mehr als zwei Kinder zur Welt bringt): "NPG advocates a smaller and truly sustainable United States population accomplished through smaller families and lower, more traditional immigration levels."

Dabei herrscht aber nirgendwo in den USA - auf einer vergleichbaren Teilfläche - eine so hohe Bevölkerungsdichte (Einwohner pro Quadratkilometer) wie in Deutschland, auch nicht in einem etwa gleichen großen Gebiet an der dicht besiedelten amerikanischen Nordostküste, ganz zu schweigen vom landesweiten Durchschnitt.

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Entwicklung der durchschnittlichen Bevölkerungsdichte in den USA und in Deutschland zwischen 1950 und 2050 (wiederum nach Zahlen der Vereinten Nationen, World Population Prospects, the 2004 Revision):

 
 
 
USA
   
D
   
USA
   
D
   
USA
   
D
1950   2000   2050





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