Wachstumsrückstand in Nordrhein-Westfalen?



Das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2002 ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes im Vergleich zum Vorjahr real um 0,2 % gewachsen. (Siehe dazu Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 16.01.2003.)

Dass die deutsche Wirtschaft 2002 überhaupt noch gewachsen ist, wird auf den Export zurückgeführt, an dem allerdings das größte deutsche Bundesland in geringerem Maße partizipierte als in der Vergangenheit. Mitte Januar 2003 meldete dpa: "Die NRW-Wirtschaft ist im vergangenen Jahr von Deutschlands Export-Lokomotive abgekoppelt worden. Bundesweit legten die Ausfuhren zwischen Januar und Oktober 2002 um etwa 1 Prozent zu, die Exporte aus NRW gingen aber um 4,9 Prozent auf 94,3 Mrd. Euro zurück."

Zum Wirtschaftswachstum des Bundeslandes ein weiterer Pressebericht:


[Pressebericht]


Inzwischen liegen vorläufige Zahlen des Arbeitskreises "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder" (Berechnungsstand Februar 2003) vor, wonach das Bruttoinlandsprodukt Nordrhein-Westfalens im Jahr 2002 real (in konstanten Preisen von 1995) um 0,2 % zurückgegangen ist.

Aber 0,2 Prozent wovon? - Vom Wirtschaftsergebnis des Vorjahres, dem Wert aller in diesem Jahr im Lande produzierten Güter und erbrachten Dienstleistungen, kurz: dem Bruttoinlandsprodukt 2001, 436.613 Mio. Euro in konstanten Preisen von 1995.

In laufenden Preisen waren das 458.078 Mio. Euro, ausgeschrieben 458.078.000.000 Euro, oder 458,078 Milliarden Euro, wie in einer Tabelle mit allen deutschen Bundesländern angegeben (wiederum auf dem Berechnungsstand vom Februar 2003). Das sind 22,1 Prozent des gesamten deutschen BIP 2001.


Wir hatten diesen BIP-Anteil von NRW schon an anderer Stelle zu Vergleichszwecken in 461.534 Millionen international dollars der Weltbank umgerechnet, was in diesem Falle allerdings nur einen geringen betragsmäßigen Unterschied macht (siehe unter EU-BIP 2001).

In so genannten international dollars wird das BIP nach Kaufkraftparität (KKP) = purchasing power parity angegeben. "An international dollar has the same purchasing power over GDP as a U.S. dollar has in the United States" (Weltbank). GDP = gross domestic product = Bruttoinlandsprodukt.

Wenn wir an dieser Stelle NRW noch einmal mit dem wirtschaftskräftigen Dänemark (mit einem sehr hohen Pro-Kopf-BIP) vergleichen, stellen wir fest: Das Gesamt-BIP Nordrhein-Westfalens ist fast dreimal so groß wie das von Dänemark, sodass ein Prozent Wirtschaftswachstum in NRW (= rd. 4,6 Milliarden international dollars) als absoluter Zuwachs an Gütern und Dienstleistungen so viel bedeutet wie drei Prozent Wachstum in Dänemark - und das auf einer kleineren Fläche mit einem bereits um ein Mehrfaches höheren BIP pro Quadratkilometer (obwohl auch das dänische BIP/km² schon weit über dem EU-Durchschnitt liegt).


Land BIP 2001
(US-Dollar)
BIP 2001
(international
dollars)
Einwohner
und Fläche
 
Pro-Kopf-BIP
(international
dollars)
BIP pro km²
(international
dollars)
 Dänemark  161.542 Mio.  155.411 Mio. 5.359 Tsd.
43.090 km² 
29.000  3,61 Mio.
 Nordrhein-Westfalen  408.287 Mio.  461.534 Mio. 18.027 Tsd.
34.080 km² 
25.600  13,54 Mio.


Nebenbei bemerkt verfügt Dänemark über recht beachtliche Öl-Vorkommen in der Nordsee. Jedenfalls ist die Förderung höher als der Eigenverbrauch, was dem BIP und damit auch dem Pro-Kopf-BIP sicher nicht abträglich ist (vgl.  Weltmineralölzahlen).

Hinweis: Die Einwohnerzahlen und Flächenangaben zu Dänemark und den weiter unten folgenden selbständigen Staaten wurden in der Regel aus Konsistenzgründen von der Weltbank übernommen.


Ein globaler Vergleich zeigt, dass NRW mit seinem BIP nach Kaufkraftparität unter den Staaten der Welt auf Platz 18 liegen würde, in US-Dollar gerechnet sogar auf Platz 14. Das BIP KKP beträgt etwa 1 % des gesamten Weltprodukts.

Die folgende Tabelle zeigt NRW mit denjenigen Staaten, deren BIP in einer ähnlichen Größenordnung liegt, also bei etwa einem Prozent der realen Weltwirtschaft. Diese vier Länder liegen auf den Plätzen 16 bis 19 einer (auf dieser Website archivierten) Aufstellung der Weltbank zum PPP GDP 2001 (purchasing power parity gross domestic product).


Land BIP 2001
(US-Dollar)
BIP 2001
(international
dollars)
Einwohner
und Fläche
 
Pro-Kopf-BIP
(international
dollars)
BIP pro km²
(international
dollars)
 Australien  368.726 Mio.  491.810 Mio.  19.387 Tsd.
7.741.220 km² 
25.370  0,06 Mio.
 Südafrika  113.274 Mio.  488.229 Mio.  43.240 Tsd.
1.221.040 km² 
11.290  0,40 Mio.
 > Nordrhein-Westfalen <  408.287 Mio.  461.534 Mio. 18.027 Tsd.
34.080 km² 
25.600  13,54 Mio.
 Niederlande   380.137 Mio.  436.162 Mio.  16.039 Tsd.
41.530 km² 
27.190  10,50 Mio.
 Argentinien   268.638 Mio.  424.354 Mio.  37.488 Tsd.
2.780.400 km² 
11.320  0,15 Mio.


Man beachte die Unterschiede beim BIP pro Kopf und mehr noch beim BIP pro Quadratkilometer. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Niederlande von allen selbständigen Ländern der Welt (von Klein- oder Stadtstaaten wie Singapur abgesehen) das höchste BIP/km² aufweisen. Und obwohl man dort kaum weniger an weiterem ökonomischen Wachstum interessiert ist als hierzulande (siehe auch www.cbs.nl: Cijfers > Kernidicatoren > Economische groei [ ausgesprochen: chrui ] ), problematisiert man doch den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und zur Verfügung stehender Landesfläche:

"Since the Second World War the Netherlands has experiencend a very rapid economic expansion, interspersed with a few periods of recessions during the period 1970 to 1990. Economic growth and a growing population keep the country in a permanent state of reconstruction and alternation. ... Careful spatial planning policy is needed to meet the continuing demand for land of houses, offices and factories, roads and railways." (VROM: Spatial planning).

Siehe auch Occupatie Nederland, eine nach Satellitenbildern erstellte Karte des niederländischen Raumordnungsministeriums VROM von den Niederlanden und Teilen Belgiens, Nordrhein-Westfalens und Niedersachens - u. a. mit der Randstad Holland (dem großen Ballungsraum an der Nordsee einschließlich Amsterdam, Den Haag, Rotterdam und Utrecht), dem belgischen Antwerpen, der EU-Hauptstadt Brüssel sowie NRW’s rheinischen Metropolen und dem Ruhrgebiet - wirtschaftlich eng miteinander verflochtene Räume, die (ungeachtet der Verheerungen in den Weltkriegen) in ihrer Entwicklung viel voneinander profitiert haben.

Ein Indiz dafür sind beispielsweise die großen See- und Binnenhäfen an Maas, Schelde, Rhein und Ruhr, unter den Seehäfen vor alllem Rotterdam und Antwerpen, unter den Binnenhäfen insbesondere Duisburg. Rotterdam (Europoort) ist mit 313,746 Mio. t Umschlag im Jahr 2001 [neben Singapur mit 313,487 Mio. t] einer der beiden größten Seehäfen der Welt [vor South Lousiana in den USA mit 252,819 Mio. t]. Antwerpen ist mit 130,050 Mio. t  Umschlag der zweitgrößte innerhalb Europas [vor Hamburg mit 92,709 Mio. t und Marseille mit 92,372  Mio. t]. Die Duisburger Häfen ("Duisport") kommen auf 47,013  Mio. t (mehr Umschlag als jeder deutsche Seehafen außer Hamburg). Und der Kölner Hafen erreicht immerhin 13,103 Mio. t (Angaben nach dem 2003 erschienenen Fischer Weltalmanach 2004, S. 1296 u. 1293).

Dabei gehen See- und Binnenschifffahrt ineinander über. Sogar Duisburg ist über seine Funktion als (Europas größter) Binnenhafen hinaus "auch ein Seehafen. Fast 2.000 Schiffe aus aller Herren Länder laufen jährlich den Duisburger Hafen an. Ebenso wie auf der Schiene sind Linienverbindungen eingerichtet worden, die regelmäßig Destinationen im Ausland, beispielsweise in Großbritannien, bedienen" (www.nrw2000.de). - Natürlich können in Duisport keine Supertanker mit über zwanzig Meter Tiefgang anlegen wie im Rotterdamer Europoort, denn die wären wohl etwas zu viel für den alten Vater Rhein.


Kleiner Exkurs: Bevölkerungsdichte in Nordwest-Europa:

Ohne Übertreibung sehen wir auf der o. a. VROM-Karte ungeachtet einiger dünner besiedelter Teilgebiete eine der größten Bevölkerungskonzentrationen Europas, ja sogar der Welt - in dieser Flächendimension - jedenfalls außerhalb des südlichen und östlichen Asiens mit zum Teil noch weit großflächigeren, noch dichteren Populationen. (Zur Identifizierung der Städte und Regionen sollten Sie zweckmäßigerweise einen Atlas zu Hilfe nehmen.)

Innerhalb Europas bildet allerdings England eine nicht hinter Benelux-NRW zurückstehende Bevölkerungskonzentration von sehr hoher Dichte, wobei allein (Greater) London mit weit über sieben Millionen Einwohnern annähernd so viel Bevölkerung hat wie Schottland und Wales zusammen und mehr Einwohner als das nordrhein-westfälische Ruhrgebiet (5,3 Mio. im Jahr 2001 nach einer Mitteilung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet). Die Luftlinienentfernung zwischen London und dem Ruhrgebiet ist übrigens etwa die gleiche wie zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin. Siehe auch VROM-Karte Occupatie Noordwest-Europa.

Die vielen auf der Karte zu sehenden Punkte in der Nordsee markieren übrigens Öl- und Gas-Plattformen, an denen Großbritannien einen bedeutenden Anteil hat - und man sich fragen, ob die gesamtwirtschaftliche Entwicklung dort in den letzten Jahrzehnten ohne das Nordseeöl, durch das Großbritannien auch zu einem bedeutenden Ölexportland wurde und zu einem der Hauptlieferanten für Deutschland, nicht weniger erfolgreich verlaufen wäre.

(Man denke nur an die chronischen Schwierigkeiten der britischen Automobilindustrie. Im Mai 2000 verschenkte BMW seine britische Tochter Rover nach Milliarden-Verlusten für symbolische 10 Pfund an ein Konsortium, um vor allem dem Autowerk Longbridge im mittelenglischen Industrierevier um Birmingham ein Überleben zu ermöglichen.)

Auf dem europäischen Festland fällt die große Agglomeration von Paris (weitgehend deckungsgleich mit der Region Íle de France) ins Auge, in einem ansonsten vergleichsweise mäßig bevölkerten Frankreich. Die ganz außergewöhnliche Íle de France hat allerdings mehr Einwohner als Belgien - auf nicht viel mehr als einem Drittel der Fläche.

Ohne zu weit vom eigentlichen Thema abschweifen zu wollen, hier noch ein paar Zahlen, um die bevölkerungsgeographischen Dimensionen Nordrhein-Westfalens - in einer ebenfalls dicht bevölkerten west- bzw. nordwesteuropäischen Nachbarschaft - aufzuzeigen. (Diese Lage verschärft ja noch die Probleme, die aus der eigenen Bevölkerungsdichte und Wirtschaftsdichte resultieren. Man denke etwa an den Straßenfernverkehr.)

Die folgende Tabelle zeigt Einwohner, Fläche (einschließlich Binnengewässer) und Bevölkerungsdichte der drei Benelux-Länder, von Nordrhein-Westfalen und dem übrigen Deutschland sowie von NRW und Benelux zusammengenommen. Nehmen wir auch England und das übrige Vereinigte Königreich (Schottland, Wales und Nordirland) sowie die Íle de France und das übrige Frankreich noch hinzu. Die Zahlen gehen auf Angaben der jeweiligen nationalen Statistikämter zurück.


  Einwohner Fläche E. je km²
 Belgien (Ende 2000) 10,263 Mio. 30.528 km² 336
 Niederlande (Ende 2000) 15,987 Mio. 41.526 km² 385
 Luxemburg (Volkszählung 15.2.2001) 0,440 Mio. 2.586 km² 170
 
 Nordrhein-Westfalen (Ende 2000) 18,010 Mio. 34.081 km² 528
 übriges Deutschland (Ende 2000) 64,250 Mio. 322.941 km² 199
 
 Benelux und NRW zusammen (gegen Ende 2000) 44,700 Mio. 108.721 km² 411
 
 England (Volkszählung 29.4.2001) 49,139 Mio. 130.422 km² 377
 übriges Vereinigtes Königreich (29.4.2001) 9,650 Mio. 112.488 km² 86
 
 Région Íle de France (Volkszählung 8.3.1999) 10,952 Mio. 12.011 km² 912
 übriges Frankreich (8.3.1999) 47,566 Mio. 531.954 km² 89


Die Niederlande, Belgien, das Vereinigte Königreich von GB und Nordirland (58,789 Mio. Einw. / 242.910 km² / 242 Einw. je km²) und Deutschland (82,260 Mio. Einw. / 357.022 km² / 230 Einw. je km²) sind - von Zwergstaaten wie Monaco abgesehen - die vier am dichtesten bevölkerten Staaten Europas und stellen mit rund 167 Mio. Einwohnern annähernd ein Viertel der gesamten europäischen Bevölkerung (Mitte 2001 rund 728 Mio. einschl. der gesamten Russischen Föderation, aber ohne den europäischen Teil der Türkei, nach UN World Population Prospects, 2002 Revision).

Frankreich (nach der letzten Volkszählung 58,518 Mio. Einw. / 543.965 km² / 108 Einw. je km²) hat im Gesamtdurchschnitt - auf einem Staatsgebiet das beinahe so groß ist wie Deutschland und Großbritannien zusammen, wie gesagt eine deutlich niedrigere Bevölkerungsdichte. Eine Ausnahme (neben der bereits erwähnten Region um Paris) bildet Nord - Pas-de-Calais (3,997 Mio. Einw. / 12.414 km² / 322 Einw. je km²) an der Grenze zu Belgien.


Etwa jeder 40. Europäer lebt in NRW! Dabei macht das Bundesland nur ein knappes Zehntel der Fläche Deutschlands aus. Und ganz Deutschland hat ja auch nur einen kleinen Anteil am europäischen Kontinent.

Auf einer Karte zur europäischen Bevölkerungsdichte 1995 von CIESIN (Center of International Earth Science Information Network an der New Yorker Columbia Universität) ist das rheinisch-westfälische Industriegebiet als kleines, aber auffallendes Fleckchen auszumachen wie übrigens auch andere deutsche Ballungsräume weiter rheinaufwärts. Bei sehr genauem Hinsehen kann man die Lage von NRW auch noch auf einer entsprechenden Weltkarte erkennen (wo allerdings die ungeheuren Menschenmassen in Teilen Asiens, vor allem auf dem Indischen Subkontinent und in China, alles andere in den Schatten stellen).

Immerhin hat allein der Regierungsbezirk Düsseldorf, einer von fünf in NRW, mehr Einwohner als beispielsweise Finnland - und ganz NRW beinahe so viel wie Norwegen, Schweden und Dänemark zusammen (vgl. Nordic Countries), auf einem kleinen Bruchteil der Fläche.

Es kann nicht schaden, wenn man auch solche bevölkerungsgeographischen Fakten zur Kenntnis nimmt, bevor man sich zu sehr über fehlendes Wirtschaftswachstum ereifert. In einer langen Industriegeschichte haben Rheinländer und Westfalen und eine große Zahl von Zuwanderern die Fläche des Landes sowohl demographisch als auch ökonomisch ganz schön ausgefüllt.

Zur jüngeren Bevölkerungsentwicklung siehe Tabelle des Statistischen Landesamtes NRW. Die Zunahme der Bevölkerung von NRW in dem Jahrzehnt von (Ende) 1990 bis (Ende) 2000 entspricht der Gesamtbevölkerung des Bundeslandes Bremen Ende 2000 (siehe Tabelle auf dieser Website).


In den Niederlanden, dem am dichtesten bevölkerten Flächenstaat Europas, werden nach Angaben des Raumordnungsministeriums 14 % der Fläche von Wohn- und Gewerbegebieten und Infrastruktur, 70 % von der Landwirtschaft eingenommen. In NRW macht die Siedlungs- und Verkehrsfläche bereits 21 % des Gesamtgebietes aus, die Landwirtschaftsfläche 51 %. (Dazu kommt noch forstwirtschaftlich genutzte Fläche, vor allem in den Mittelgebirgslagen.) - Siehe dazu Statistisches Bundesamt: Eckzahlen und Erläuterungen zur Flächenerhebung oder Bundesländer-Tabelle auf dieser Website.


Die stetige Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche macht besonders deutlich, was wirtschaftliche Expansion konkret bedeutet, ebenso wie der wachsende Güterverkehr auf den Straßen. In diesem Zusammenhang zitiere ich den früheren NRW-Ministerpräsidenten (seinerzeit Chef einer rot-grünen Landesregierung und heute Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) aus einer Rede vor dem Düsseldorfer Landtag:

Sie alle, wir alle, kennen die Verkehrssituation in dem am stärksten verdichteten Ballungsraum Deutschlands, in der Rhein-Ruhr-Region zwischen Dortmund, Duisburg, Düsseldorf und Köln.

Dort geht zu bestimmten Zeiten und auf manchen Straßen nichts mehr - trotz der umfangreichen Anstrengungen, die wir im Straßenbau unternehmen, damit der Verkehr fließen kann, trotz aller Bemühungen, um mit der Entwicklung des Güterverkehrs Schritt halten zu können, trotz einer Vielzahl von Initiativen und Projekten, um den ÖPNV in unserem Land attraktiver und leistungsfähiger zu machen.

Wir haben im bundesweiten Vergleich das dichteste Straßennetz mit der weitaus höchsten Auslastung und wir stehen vor einer weiteren Mobilitätswelle.

Alle Prognosen über das künftige Verkehrsaufkommen sagen uns: In einem offenen, noch enger zusammenrückenden Europa werden sich die Probleme weiter verschärfen. Gerade in Nordrhein-Westfalen und gerade in der Rhein-Ruhr-Region.

Hier ist die Politik in außergewöhnlicher Weise gefordert. Die Sicherung der Mobilität von Menschen und Gütern, die Gewährleistung einer Infrastruktur auf der Höhe modernster Technologie, ist von elementarer Bedeutung für einen Wirtschaftsstandort vom Rang Nordrhein-Westfalens.

Wir müssen auf die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und der Unternehmen adäquate Antworten geben. Wir werden darum die Leistungsfähigkeit unserer Flughäfen weiter erhöhen, wir werden unser Straßen- und Schienennetz ausbauen, wir werden das Wasserstraßensystem erweitern und wir werden das Leistungsangebot des ÖPNV konsequent weiter verbessern und erweitern.

So weit Wolfgang Clement als Ministerpräsident von NRW in der Regierungserklärung "Metrorapid für Nordrhein-Westfalen" vom März 2002.

(Das Projekt Metrorapid, eine Transrapid-Magnetschwebebahn von Düsseldorf durchs Ruhrgebiet bis Dortmund, wurde im Juni 2003 wegen wirtschaftlicher Risiken [und aus koalitionspolitischen Gründen] gestoppt. Der Autor bedauert, dass man in Deutschland wenig bereit ist, mit dieser Technik als Alternative zum Flugverkehr auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu experimentieren. Ob sich das langfristig einmal auszahlen wird oder nicht, kann man einfach im Voraus nicht zuverlässig berechnen. Über die Transrapid-Technik und weltweite Projekte, erstmals realisiert in Schanghai, informiert Transrapid International, ein Gemeinschaftsunternehmen von Siemens und ThyssenKrupp.)


Nun ein Vergleich mit einem weiteren Extrembeispiel, und zwar mit dem Bundesstaat New Jersey an der Ostküste der USA (dem "Garden State" - ein nickname, der allerdings noch aus dem 19. Jahrhundert stammen soll).

Zur Auflockerung: >>> "I’m From New Jersey" <<< [New Jersey State Song Website]

Nehmen wir den "Empire State" New York einschließlich der gleichnamigen 8-Millionen-Metropole, die unmittelbar an New Jersey grenzt, noch dazu. Im Gegensatz zu der für amerikanische Verhältnisse kleinen Fläche New Jerseys hat der Staat New York ein größeres Hinterland, das u. a. bis zu den Niagarafällen an der kanadischen Grenze reicht. (Flächenangaben und Einwohnerzahlen folgen noch.)

Das amerikanische Bureau of Economic Analysis (BEA, www.bea.gov) beziffert das BIP des Staates New York mit 826.488 Mio. (current) US-dollars, das sind 8,2 % des US-BIP, und das BIP von New Jersey mit 365.388 Mio. = 3,6 % (Gross State Product Data, Veröffentlichungsstand 22.5.2003). Das Gesamt-BIP 2001 der USA wird an dieser Stelle mit 10.137.190 Mio. Dollar angegeben.

Nach diesen Relationen haben die beiden Staaten an dem von der Weltbank angegebenen amerikanischen BIP 2001 (KKP) in Höhe von 9.792.473 Millionen international dollars Anteile von rund 798 Milliarden i. $ (NY) bzw. 353 Mrd. i. $ (NJ). Damit würde der Bundesstaat New York unter den unabhängigen Staaten der Erde hinter Spanien und vor Süd-Korea auf Platz 14 liegen. (Nach der Zahl der Einwohner ist der Staat New York etwas größer als NRW.)

Wie die Tabelle zeigt, liegt das Pro-Kopf-BIP der beiden US-Bundesstaaten deutlich über dem Gesamtdurchschnitt der USA von rund 34.320 international dollars - und das ist bereits ein international weit herausragender Wert, der rund 35 % über dem deutschen liegt.

In dieser Hinsicht nehmen die USA nun einmal eine Sonderstellung ein und das hat sicherlich viel mit dem Ressourcenreichtum des Landes zu tun. Allerdings ist der Wohlstand der Bevölkerung nicht zuletzt eine Verteilungsfrage, die man in den USA etwas anders behandelt als bei uns, wie im Übrigen bestimmte Umweltthemen. Alles hat eben seinen Preis.


Bundesstaat/-land BIP 2001
(US-Dollar)
BIP 2001
(international
dollars)
Einwohner
und Fläche
 
Pro-Kopf-BIP
(international
dollars)
BIP pro km²
(international
dollars)
 New York  [BEA:] 826.488 Mio.  798.382 Mio.  19.011 Tsd.
 141.080 km² 
135 Einw. je km² 
42.000  5,7 Mio.
 New Jersey  [BEA:] 365.388 Mio. 352.963 Mio.  8.484 Tsd.
 22.590 km² 
376 Einw. je km² 
41.600  15,6 Mio.
 Nordrh.-Westf.  408.287 Mio.  461.534 Mio. 18.027 Tsd.
34.080 km² 
529 Einw. je km² 
25.600  13,5 Mio.


New Jersey (mit etwa halb so viel Einwohnern wie NRW und etwa 3/4 der Fläche) fällt nicht nur durch sein hohes Pro-Kopf-BIP, sondern auch durch sein BIP pro Quadratkilometer auf, das sogar noch das von Nordrhein-Westfalen übertrifft. Wie außergewöhnlich der Wert ist, wird am Gesamtdurchschnitt der USA deutlich, der nur knapp über 1 Mio. international dollars pro Quadratkilometer liegt (Deutschland: 5,8 Mio., EU: 2,8 Mio.).

Mit 376 Einwohnern je Quadratkilometer ist New Jersey auch der am dichtesten bevölkerte Staat der USA (US-Gesamtdurchschnitt etwa 30 Einw./km²), allerdings nicht so dicht bevölkert wie NRW mit 529 Einw./km². Diese hohe Einwohnerdichte neben dem hohen BIP/km² bedeutet für NRW sicherlich keinen besonderen Vorteil im Hinblick auf weiteres Wirtschaftswachstum. Ein Pro-Kopf-BIP wie das von New Jersey würde in NRW pro Quadratkilometer bereits mehr als 22 Mio. international dollars ergeben.


Nach den Angaben des BEA vom Mai 2003 zum Gross State Product verzeichnete New Jersey 2001 eine Veränderung von 332.927 Mio. auf 332.897 Mio. chained $ = (minus) 0,0 %. Leidet somit auch New Jersey mit seinem extrem hohen BIP pro Kopf und pro km² unter "Wachstumsrückstand"?

Insgesamt wuchs die US-Wirtschaft nach diesen Angaben real von 9.298.227 Mio. chained (1996) dollars (im Jahr 2000) auf 9.335.399 Mio. chained dollars (im Jahr 2001). Daraus errechnet sich für 2001 eine Wachstumsrate von 0,4 %. Geringfügige Divergenzen zu entsprechenden Gesamt-BIP-Angaben des BEA an anderer Stelle können hier auf sich beruhen bleiben.


Zurück nach NRW, das - nach dem Berechnungsstand vom Februar 2003 - im Jahr 2001 immerhin noch ein Wachstum von 0,3 % zu verzeichnen hatte. (Nach dem etwas aktuelleren Berechnungsstand vom August 2003 waren es sogar 1,0 %. Wir könnten den neueren Rechenstand des Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder auch bei den obigen Angaben zugrunde legen, aber die Unterschiede sind für unsere Zwecke völlig unerheblich, und mit Rücksicht auf die Kompatibilität zu anderen Seiten lassen wir es hier beim früheren Berechnungsstand.)


Bedeutet angesichts der skizzierten Relationen die derzeitige Wirtschaftsentwicklung in NRW wirklich einen Rückstand beim Wachstum? - Oder muss man die Sache nicht ganz anders betrachten und zu dem Ergebnis kommen, dass das Land - trotz einer negativen Wachstumsrate im Jahr 2002 - eher noch einen immensen Vorsprung beim Wachstum hat? Das gilt jedenfalls - national und ganz überwiegend auch international -, wenn man das erreichte Niveau des BIP pro Quadratkilometer nicht unbeachtet lässt - und wenn es um die Vergrößerung des Inlands-Produktes geht, kann die Größe des (nicht vergrößerbaren) Inlands ja wohl nicht unbeachtet bleiben.

Ausgehend von der heutigen Größe des BIP von NRW lässt jedes Prozent Wirtschaftswachstum - wenn es denn zustande kommt - das BIP/km² um 0,14 Mio. international dollars steigen. 2½ Prozent wären schon so viel wie der heutige Weltdurchschnitt (s. Tabelle unten).


Hier noch einmal ein tabellarischer Vergleich zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, den westdeutschen Ländern zusammengenommen, der Bundesrepublik insgesamt, der gesamten Europäischen Union (an der NRW allein einen wirtschaftlichen Anteil von rund 5 % hat!) und der Welt. Angegeben ist dabei auch die Bevölkerungsdichte:


  BIP 2001
(US-Dollar)
BIP 2001
(international
dollars)
Einwohner,
Fläche
und Dichte
Pro-Kopf-BIP
(international
dollars)
BIP pro km²
(international
dollars)
 Welt  31.121.436 Mio.  45.619.285 Mio.  6.130.101 Tsd.
133.805.000 km² 
46 Einw. je km² 
7.440  0,34 Mio.
 Europäische Union  7.889.861 Mio.  9.113.304 Mio. 378.182 Tsd.
3.242.670 km² 
117 Einw. je km² 
24.100  2,81 Mio.
 Deutschland  1.846.069 Mio.  2.086.828 Mio. 82.333 Tsd.
357.030 km² 
231 Einw. je km² 
25.350  5,84 Mio.
 Westdeutschland  1.573.464 Mio.  1.778.670 Mio. 65.166 Tsd.
248.450 km² 
262 Einw. je km² 
27.290  7,16 Mio.
 Nordrh.-Westf.  408.287 Mio.  461.534 Mio. 18.027 Tsd.
34.080 km² 
529 Einw. je km² 
25.600  13,54 Mio.
nach Angaben der Weltbank vom April 2003 und eigenen Berechnungen
in Verbindung mit Angaben des Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder,
Berechnungsstand Februar 2003



Zumindest was das BIP pro Quadratkilometer betrifft, gibt es wohl nicht viele Regionen in der Welt, die auf einer vergleichbaren Fläche einen Wert erreichen wie NRW - das "Tal der Tränen" (s. o. Zeitungsausschnitt).

Leider kommen die administrativen Grenzen und die verfügbaren Wirtschaftsdaten solchen internationalen Vergleichen nicht immer entgegen. Wir sollten uns aber wenigstens noch in Japan umsehen, das sich nach gängiger Meinung auch in einer Dauer-"Krise" befindet, nur weil das Wirtschaftswachstum früherer Jahrzehnte anscheinend passee ist.

Betrachten wir die Regionen Kanto (bestehend aus den Präfekturen Ibaraki, Tochigi, Gumma [oder Gunma], Saitama, Chiba, Tokyo und Kanagawa) sowie Kinki (mit Mie, Shiga, Kyoto, Osaka, Hyogo, Nara und Wakayama). Siehe dazu Übersichtskarte zur Gliederung Japans.


  BIP 2001
(US-Dollar)
BIP 2001
(international
dollars)
Einwohner,
Fläche
und Dichte
Pro-Kopf-BIP
(international
dollars)
BIP pro km²
(international
dollars)
 Kanto 1.480.810 Mio. 1.141.691 Mio. 40.465 Tsd.
32.150 km² 
1.259 Einw. je km² 
28.210  35,5 Mio.
 Kinki 737.029 Mio. 568.242 Mio. 22.734 Tsd.
32.930 km² 
690 Einw. je km² 
25.000  17,3 Mio.
 Nordrh.-Westf. 408.287 Mio. 461.534 Mio. 18.027 Tsd.
34.080 km² 
529 Einw. je km² 
25.600  13,5 Mio.


Bei den Angaben zum BIP der beiden japanischen Regionen handelt es sich um Schätzwerte, die ermittelt wurden, indem die im japanischen Statistischen Jahrbuch 2004 angegebenen (letztverfüglichen) BIP-Anteile der Regionen in laufenden Preisen im Fiskaljahr 2000 (Kanto: 182.249 Mrd. Yen = rund 35,8 %, Kinki: 90.709 Mrd. Yen = rund 17,8 % von 509.702 Mrd. Yen für ganz Japan) anhand von Weltbankangaben vom April 2003 zum japanischen Gesamt-BIP 2001 (4.141.431 Mio. US-Dollar oder 3.193.005 Mio. international $) in US-Dollar und international dollars umgerechnet wurden.

Ferner wurden die im jap. Statistischen Jahrbuch 2004 angegebenen Bevölkerungsanteile am 1.10.2000 (Kanto: 40.428 Tsd. = 31,9 %, Kinki: 22.713 Tsd. = 17,9 % von 126.919 Tsd. Einwohnern in ganz Japan) anhand der Weltbankangabe für Japan Mitte 2001 (127.035 Tsd. Einwohner) zeitpunktgerecht umgerechnet, was aber nur zu ganz geringfügigen Veränderungen gegenüber den Angaben im Stat. Jahrbuch führt.


Kanto und Kinki stellen fast die Hälfte der Bevölkerung Japans und repräsentieren mit ihren BIP-Anteilen mehr als die Hälfte der japanischen Wirtschaft, Kanto allein fast ein Drittel der Bevölkerung und mehr als ein Drittel der Wirtschaft. Kanto liegt über, Kinki leicht unter dem durchschnittlichen japanischen Pro-Kopf-BIP von 25.130 int. $. Beide Regionen liegen weit über dem hohen japanischen Durchschnitt von 8,5 Mio. int. $ pro Quadratkilometer.

Die Kanto-Region - flächenmäßig noch etwas kleiner als Nordrhein-Westfalen - läge unter den unabhängigen Staaten der Welt, gemessen am BIP 2001 nach Kaufkraftparität (in international dollars), hinter Brasilien und vor Russland auf Platz 10. Der Anteil am gesamten Weltprodukt (rund 45,6 Billionen international dollars) beträgt 2,5 % (mehr als 1,1 Billionen int. $).

Pro Quadratkilometer gerechnet beträgt das BIP Kantos etwa das Hundertfache des Weltdurchschnitts. Die Bevölkerungsdichte beträgt mehr als das 27fache des Weltdurchschnitts.

Ob die dortigen Lebensverhältnisse für den normalen Europäer oder Amerikaner noch erträglich wären, darf bezweifelt werden. (Zu Kanto, großenteils deckungsgleich mit dem einzigartigen Ballungsraum Tokio, sei auch auf eine Arbeit von W. Flüchter, Institut für Ostasienwissenschaften an der Uni Duisburg, hingewiesen: Tokyo quo vadis?)

Da rede noch einer von "Wachstumsschwäche"! Auch das Pro-Kopf-BIP der Kanto-Region ist beachtlich und liegt über dem von NRW, aber z. B. unter dem von Dänemark (s. o.) und deutlich unter dem des Bundeslandes Hessen.

Siehe dazu Vergleich NRW-Hessen (auf der Seite ‘EU-BIP 2001’). Mit einem Pro-Kopf-BIP wie Hessen (31.200 int. $) käme NRW bereits auf 16,5 Mio. int. $ pro Quadratkilometer und läge damit um 3,0 Mio. int. $ über seinem tatsächlichen Wert und nicht weit unter dem Wert des japanischen Kinki (s. o.).

Merkwürdige Zahlenspiele? Vielleicht, aber damit sei ja auch nur nur angedeutet, wie stark sich eine relativ moderat erscheinende Steigerung des Pro-Kopf-BIP in Industrieregionen wie NRW auf das BIP pro Quadratkilometer auswirkt, dessen weiterem Anstieg aber irgendwo Grenzen des Machbaren und - je nach Schmerzgrenze der Bevölkerung - Grenzen des Erträglichen gesetzt sind, sofern sich das hohe BIP/km² nicht schon lange vorher in Gestalt diverser Folgeprobleme als zunehmender Standortnachteil niederschlägt und das regionale Wirtschaftswachstum sukzessive und eher unspektakulär ausbremst.


Das soll nun allerdings keine potentiellen Investoren abschrecken und heißen, dass NRW für Neuansiedlungen oder Unternehmenserweiterungen generell ungeeignet sei, zumal das Land ja aus sehr unterschiedlichen Teilregionen besteht. Standortentscheidungen sind unter sehr vielfältigen Gesichtspunkten zu treffen. Während das eine Unternehmen aus diesen oder jenen Gründen abwandert oder Teile seiner Produktion verlagert, ist möglicherweise für ein anderes das gute alte Nordrhein-Westfalen genau die richtige Wahl - nicht zuletzt auch für (vermutlich Schlimmeres gewohnte) Japaner, von denen über 5.000 allein im Raum Düsseldorf leben.

Nach einem Bericht der Gesellschaft für Wirtschaftsshaftsförderung Nordrhein-Westfalen vom September 2003 bildet die japanische Community mit etwa 470 Unternehmen die drittgrößte Gemeinschaft ausländischer Unternehmen in NRW - nach den USA mit ca. 560 und den Niederlanden mit rund 600 Firmen.


Nachtrag

Im September 2004 (kurz vor den Kommunalwahlten in Nordrhein-Westfalen) besuchte Bayerns Ministerpräsident Stoiber die Redaktion der Ruhr-Nachrichten in Dortmund und antwortete in einem Interview auf die Frage, was seiner Meinung nach die größten Probleme in NRW seien:

"Die überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit und die fehlenden Wachstumsperspektiven sind das größte Problem. NRW ist das bevölkerungsreichste Land in Deutschland, die industrielle Herzkammer. NRW leidet aber unter der falschen Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Landesregierung. Es ist von Ländern wie Baden-Württemberg, Hessen oder Bayern überholt worden. Wenn NRW es nicht schafft, wirtschaftlich voll zu diesen Ländern aufzuschließen, dann wird ganz Deutschland nie hochkommen. Ohne NRW geht es nicht."


Interessanter als das übliche parteipolitische Wahlkampfgerede ist die vom Ministerpräsidenten des zweitgrößten, wirtschaftsstarken Bundeslandes Bayern unterstrichene wirtschaftliche Bedeutung Nordrhein-Westfalens für ganz Deutschland.

Armes Deutschland, dass - an Wirtschaftswachstumsraten der Vergangenheit gemessen - vielleicht nie wieder richtig "hochkommen" wird. Deswegen braucht es Ihnen aber nicht gleich hochzukommen, denn so sehr liegen wir keineswegs danieder, wie ein Langzeitvergleich des deutschen Pro-Kopf-BIP belegt. Trotz einer Bevölkerungszunahme von mehreren Millionen durch Zuwanderung aus dem Ausland und eines noch viel höheren Bevölkerungszuwachses durch den Beitritt der DDR ist das heutige Pro-Kopf-BIP (in konstanten Preisen) um über 60 % höher als in der alten Bundesrepublik von 1970 (vgl. lange Reihen des Statistischen Bundesamtes).

Langfristig betrachtet hatte Deutschland also - trotz wachsender Arbeitslosigkeit - ein fast ununterbrochenes Wirtschaftswachstum, das sich allerdings deutlich abgeschwächt hat. Eine nachlassende Zunahme ist jedoch noch keine Abnahme.

Man mag sich ja mehr Wirtschaftswachstum wünschen, aber - you can´t always get what you want. Deutschland ist im internationalen Vergleich nach wie vor ein sehr wohlhabendes Land, das wird niemand bestreiten können. So gesehen ist das deutsche BIP eigentlich nicht zu klein, aber die Zahl derer ist zu groß, die - obwohl doch alle irgendwie vom BIP zehren - an seiner Erzeugung nicht mitwirken dürfen, weil die anderen zu viel arbeiten.

Die zunehmende Ungleichverteilung von Arbeit und Einkommensmöglichkeiten erzwingt dann eine enorme, verwaltungsaufwendige Umverteilung von Geld über die Sozialsysteme, die offenbar immer weniger funktioniert, jedenfalls immer weniger gesamtgesellschaftlich akzeptiert wird.

Leider ist unsere Wirtschaft unter tatkräftiger Mitwirkung von Politikern und Wirtschaftswissenschaftlern dabei, diesen Schlamassel nach einer übertrieben angebotsorientierten Wirtschaftsphilosophie durch unentgeltliche Arbeitszeitverlängerungen (und damit beabsichtigte Stundenlohnkürzungen) noch zu vergrößern, denn so lässt sich Wachstum nicht übers Knie brechen, jedenfalls kein dauerhaftes, kräftiges, beschäftigungswirksames Wachstum. Viel zu schleierhaft bleibt jedenfalls, wie die dazu erforderliche Steigerung der Binnennachfrage zustande kommen soll, wenn die Einkommen der Beschäftigten trotz Mehrarbeit nicht steigen und die Einstellungschancen von Arbeitslosen wegen der unentgeltlichen Mehrarbeit der Beschäftigten noch weiter sinken.

Bei einem sehr viel niedrigeren Pro-Kopf-BIP war Arbeitslosigkeit in der alten Bundesrepublik von 1970 kaum ein Thema. Daher muss die Beschäftigungsproblematik von heute auch anders zu lösen sein als durch noch mehr Wirtschaftswachstum, das sowieso nicht bis in alle Ewigkeit anhalten kann. Niemand kann sagen, wo die Grenzen des Wachstums liegen. Wenn wir unbedingt wissen wollen, wo sie liegen, müssen wir bis zu ihnen vordrigen. Ihr Anblick könnte allerdings sehr unerfreulich sein.



Online-Quellen bzw. Berechnungsgrundlagen (neben den bereits im Text enthaltenen Links):



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